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Renegade

Renegade

Titel: Renegade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
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ist zwar sicher nicht besonders laut, kaum mehr als ein leises
Flüstern, aber für mich klingt es durchdringender als jeder Alarm, und ich
rechne ständig damit, dass mir Vollstreckerinnen aus den Schatten
entgegentreten. Hier gibt es keine Wegweiser – wahrscheinlich benutzt das
Servicepersonal diese Tunnel so oft, dass es keine braucht –, also vertraue ich
darauf, dass meine Instinkte mich in die richtige Richtung führen. Bisher
konnte ich mich auf sie verlassen. Hoffentlich lassen sie mich jetzt nicht im
Stich.
    Zehn Minuten später
habe ich mich hoffnungslos verirrt. Ich weiß kaum noch, wo rechts und links
ist. Selbst der Versuch, mich hinzusetzen und meine Gedanken zu sammeln,
schlägt fehl. Diese Tunnel sehen alle gleich aus, und es gibt so viele
Abzweigungen, dass ich einfach nicht weiß, welche ich nehmen soll. Es ist heiß
und feucht, sodass ich kaum atmen kann und mir der Schweiß in klebrigen Strömen
über den Körper fließt.
    Ich schließe die
Augen und stelle mir bildlich vor, aus welcher Richtung ich gekommen und wie
ich bis an diesen Punkt gelangt bin. Hätte ich den normalen Weg genommen, hätte
ich Richtung Südwest gehen müssen. Aber ich weiß ja nicht, wo ich mich jetzt befinde.
Ich weiß nicht einmal, ob ich immer noch im Sektor mit den Wohnquartieren bin.
Die Schuldgefühle kehren zurück, als ich mir vorstelle, wie ich entdeckt werde.
Was wird mit Gavin geschehen, wenn ich nicht zurückkomme?
    Ich entscheide, dass
ich das Risiko eingehen und einen Blick nach draußen werfen muss. Vorsichtig
öffne ich eines der Türchen gerade weit genug, um hindurchspähen zu können.
Wenige Sekunden später ist mir klar, dass ich mich in der Nähe des Großen
Platzes befinde. Das Freudenfest ist in vollem Gange. Anscheinend war ich doch
die ganze Zeit auf dem richtigen Weg. Nachdem ich das Türchen wieder
verschlossen habe, folge ich dem Tunnel bis zur nächsten Abzweigung, biege
links ab und gehe dann immer geradeaus, bis ich an eine T-Kreuzung komme. Ich
entscheide mich wieder für links. Als die Tunnel heller und kühler werden, weiß
ich, dass ich den Palasttrakt erreicht habe. Nur dort interessiert es Mutter,
wie diese Tunnel gestaltet sind. Und das auch nur, weil sie nicht will, dass
die Dienstboten die Marmorböden verschmutzen.
    Da es im Palasttrakt
keine Selbstschussanlagen gibt, bin ich außerhalb des Tunnels wahrscheinlich
sicherer als innen. Dort kenne ich mich ohnehin wesentlich besser aus und kann
mir ein Versteck suchen, falls es nötig wird. Vorsichtig verlasse ich den
Tunnel und atme tief den süßen Duft ein, der den Palast durchströmt. Mutter
besteht darauf, dass der Luft aus der Sauerstoffaufbereitungsanlage hier stets
Lavendelaroma beigemischt wird. Der Geruch ist mir so vertraut, dass er
augenblicklich meine angespannten Nerven beruhigt.
    Als ich mich umsehe,
stelle ich erfreut fest, dass ich mich ganz in der Nähe von Mutters
Räumlichkeiten befinde. Und auch in der Nähe meines Quartiers. Von dort aus
könnte ich genau dasselbe tun wie von Mutters Computer aus, und niemand würde
etwas merken. Allerdings wartet sie sicher nur darauf, dass ich genau das
mache. Also doch Mutters Räumlichkeiten. So wie ich sie kenne, glaubt sie wahrscheinlich,
dass ich es niemals wagen würde, ihren Computer zu benutzen.
    Langsam schleiche
ich durch die Korridore, in denen sich nichts rührt. Anlässlich des
Freudenfests sind offenbar auch hier alle auf dem Großen Platz, auch Mutter und
Vater. Die beiden haben noch nie ein Freudenfest versäumt, und das wird diesmal
sicher nicht anders sein. Nicht, nachdem ein Oberflächenbewohner eingedrungen
ist und die Tochter des Volkes entführt hat. Sie werden den Bürgern die
Illusion vermitteln wollen, alles sei in Ordnung und noch genauso wie früher.
Nachdem mir das klar geworden ist, laufe ich schon mutiger durch die Flure.
Selbst wenn jemand kommt, müsste ich ihn hören können, bevor er mich erwischen
kann.
    Schließlich biege
ich nach links ab und stehe vor Mutters Schlafzimmertür. Ich will sie schon
aufdrücken, da reiße ich plötzlich die Hand zurück. Erinnerungen steigen in mir
auf, an schlimme Prügel, weil ich diesen Raum ohne ihre Erlaubnis betreten
habe.
    Und an weitere
Konditionierungen.
    Mir stockt der Atem,
und mein Körper überzieht sich mit Gänsehaut, als weitere

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