Renner & Kersting 01 - Mordsliebe
die hat Benni ein paar Mal beobachtet. Er hat was Wichtiges herausgefunden, hat er gesagt. Aber er hat es nicht verraten.” Verdrießlich starrte er zu Boden und scharrte mit dem Fuß. Er war böse auf Benni. So hätte ein Mitglied ihres Clubs sich nicht verhalten dürfen.
„Warum nicht? Ihr gehörtet doch alle zu einer Bande, da muss man sich doch gegenseitig vertrauen, oder?”
„Hm, schon, aber Benni hatte ein Geheimnis, und er hat nichts gesagt.” Der Kleine drehte sich bereits um, als Helga noch etwas einfiel. „Warte, sage mir nur noch eines: Gehörte Sandra auch zu eurem Verein?”
„Welche Sandra?”
„Sandra Linners, du weißt schon, aus meiner Klasse.”
„Ach die, nö, die gehörte nicht zu uns. Die war doch viel zu klein.” Und dann rannte er davon, bevor Helga noch eine weitere Frage stellen konnte.
12
Du bist schon wieder zu spät gekommen, Fräuleinchen, was denkst du dir eigentlich? Um sie herum fühlte sie anhaltende Schwärze. Sie konnte sich nicht bewegen. Immer lauter hämmerte die Frage auf sie ein: Was denkst du dir eigentlich? Was denkst du dir eigentlich? Oh Gott, wenn sie doch nur denken könnte. Stumm starrte sie an der Gestalt hoch. Kein Wort brachte sie heraus.
Ich hoffe, du hast wenigstens die Hausaufgaben von gestern und vorgestern nachgeholt! Was, nicht? Tja, dann bleibst du heute so lange in der Schule, bis du alles fertig hast. Hör auf zu heulen, du bist schließlich selbst Schuld … selbst Schuld … selbst Schuld …
Auch an diesem Abend saßen die Sportler nach dem Training noch beisammen. Es gab viel zu bereden. Helga erzählte vom Fund der CDs und des Spiels. Wie erwartet, kannte Udo sich aus. Er betrachtete den Karton von allen Seiten. „Ist noch originalverpackt und nicht gerade billig, ich glaube, das ist eins von denen, wo Soldaten abgeknallt werden, eine ziemlich blutrünstige Angelegenheit.”
„Was meinst du, könnte es einem Kind gehören oder eher einem Erwachsenen?”
„Schwer zu sagen. Du weißt besser als ich, was für brutale Filme die Kurzen sehen. Durchaus möglich, dass der ganze Kram einem Schüler gehört. Übrigens, warum schaffst du dir nicht endlich auch einen Computer an, dann weißt du, womit deine Kinder sich vergnügen.”
„Computer sind reine Zeitvernichtungsmaschinen. So etwas will ich gar nicht erst haben.” Die Antwort entsprach nicht wirklich ihrer Meinung, aber es bereitete ihr immer wieder großes Vergnügen, Udo, der von diesen Dingern geradezu besessen schien, zu ärgern.
„Du bist ganz schön rückständig, besonders für eine Lehrerin! Stört es dich denn gar nicht, dass deine Schüler in dieser Beziehung mehr Kenntnisse haben und mehr können als du?”
„Ich muss auch nicht alles über BVB, Akte X oder Yu-Gi-Oh wissen, nur weil die Schüler sich dafür begeistern.” Sie hätte gern noch weiter gestritten, doch es gab Wichtigeres. „Was ist mit den CDs?”
„Zu denen kann ich so nichts sagen. Da muss ich erst reinschauen. Wahrscheinlich sind es Kopien. – Also, ich könnte dir einen günstigen Computer besorgen. Mein Kollege will sich einen neuen kaufen und …”
Bevor Udo sein Lieblingsthema weiter verfolgen konnte, wurde er von Ilse unterbrochen. Wie immer trug sie Zigeuner-Look, einen weiten Rock mit weißer Bluse und Fransentuch. Wer sie so sah, konnte sich kaum vorstellen, dass sie im Kampf eine gefährliche Gegnerin war, hart und unglaublich reaktionsschnell. Während Helga zerstreut den anderen zuhörte, überlegte sie, woher die Kleidungsstücke stammen mochten, die so gar nicht der Mode entsprachen. Ob Ilse auf Flohmärkten einkaufte? Sie schüttelte sich. Getragene Kleider waren ihr ein Gräuel. Dann erinnerte sie sich, dass Ilse vor nicht allzu langer Zeit über den Erwerb einer neuen Nähmaschine philosophiert hatte.
„Erzählt endlich, was ihr im Park beobachtet habt!”
„Also, ich halte das Ganze für ausgemachten Blödsinn. Jeden Abend war ich da, entweder zum Joggen oder um ein paar Katas mit dem Stock zu trainieren. Und ich habe nichts bemerkt.” Hans war von ihren Aktivitäten im Park von vornherein nicht überzeugt gewesen. Ingo stimmte zu: „Ich brauche fast eine halbe Stunde, um durch die Stadt in den Westpark zu kommen, im Stadtgarten bin ich in fünf Minuten. Ich denke gar nicht daran, diesen Unsinn noch länger mitzumachen.”
„Es gibt dort wirklich nichts zu sehen. Ich bin auch dafür, die Beobachtungen abzubrechen.”
Ilses Mundwinkel sackten nach unten.
Weitere Kostenlose Bücher