Renner & Kersting 01 - Mordsliebe
erzählen sollte. Ali war über die magere Ausbeute enttäuscht gewesen und hatte gemeint, es lohne nicht, diese dürftigen Informationen der Polizei preiszugeben. Sie sollten erst ›richtige‹ Ergebnisse abwarten, bevor sie ihre Detektivtätigkeit gestanden.
Natürlich war beiden klar, dass der Polizei das nicht unbedingt gefallen würde. Im Gegensatz zu Ali konnte Helga sich jederzeit auf Äußerungen von Schülern berufen, die sie ›rein zufällig‹ mitbekommen hatte. Schließlich wusste jeder, dass Kinder mehr erfuhren und auch verstanden, als Erwachsene ihnen gemeinhin zutrauten. Auf der anderen Seite, und darin waren sich auch beide einig, müsste die Polizei über jede Mithilfe froh sein.
Ali plante, sich als nächstes um Bennis Stiefvater in spe zu kümmern. Wie sie das anstellen wollte, war Helga ein Rätsel. Aber Ali hatte auch herausgefunden, dass beide Kinder sich kannten, dass Sandras Mutter einen Freund hatte und Fränzkes Zukünftiger für Lembert arbeitete. Zu weiteren Überlegungen blieb keine Zeit, denn jetzt musste sie ihre ganze Aufmerksamkeit der Parkplatzsuche widmen.
„Guten Abend, Herr Kersting.” Er hatte vor dem Restaurant auf sie gewartet. Helga empfand plötzlich große Schüchternheit. Vermutlich lag es daran, dass sie zuviel über ihre Detektivtätigkeit nachgedacht und noch immer nicht entschieden hatte, was sie ihm erzählen wollte. Darum flüchtete sie sich in Burschikosität, als sie einen passenden Tisch gefunden hatten und einander gegenüber saßen. „Erzählen Sie, was gibt es Neues?”
„Was denn, gehen Sie nur mit mir essen, weil Sie an unseren Ermittlungen interessiert sind?” Obwohl Kersting schmunzelte, spürte Helga, dass er verletzt war. Sie staunte über seine Verwundbarkeit und wurde verlegen.
„Ich hatte Recht, Rot steht Ihnen.” Ihr Gesicht zeigte manchmal etwas Weiches, das ihre kühle Überlegenheit verdeckte und sie zugänglicher aussehen ließ. Er wünschte sich, unbefangen mit ihr umgehen zu können. Doch wenn er sie ansah, kehrten regelmäßig auch die Erinnerungen zurück. Heute wurden sie allerdings von zeitlich näheren, aber ebenso unangenehmen überlagert. Unbewusst musste er wohl die Stirn gekraust haben, denn ihre Verlegenheit verschwand, stattdessen erkannte er Mitgefühl in den grünen Augen.
„Etwas belastet Sie. Und ich bin ziemlich sicher, dass es nichts mit dem Fall zu tun hat.” Sie beugte sich soweit vor, dass er ihren Atem spürte. Der schwache Hauch eines herben Parfüms wehte zu ihm hinüber. „Möchten Sie darüber reden?”
Wollte er das? Bisher hatte er noch nie mit jemandem über die Schwierigkeiten mit seinem Vater gesprochen. Da der ein bekannter Psychologe war, ging Kersting automatisch davon aus, dass jeder der Meinung des renommierten Mannes zustimmen würde.
Er dachte daran, wie er am späten Nachmittag Masowski abgesetzt und den Dienstwagen in den Außenbezirk gelenkt hatte, in dem die Villa seines alten Herrn lag. Er hatte sich miserabel gefühlt wie bei jedem Besuch und wäre am liebsten umgekehrt. Es ärgerte ihn, dass er es nicht schaffte, dieses Unbehagen endlich abzulegen. Natürlich wusste sein Vater von diesem Gefühl und benutzte es, ihn zu manipulieren. Wieder erinnerte er sich an ihre Auseinandersetzung, als der alte Mann ihn nicht zum Nachgeben hatte bewegen können, damals, nachdem er sich entschlossen hatte, zur Polizei zu gehen. Noch heute empfand er ein seltsames Gemisch aus Schuld und Triumph, wenn er an jenen Abend zurückdachte. Er hatte widerstanden und war stolz darauf. Und doch – der andere war sein Vater, der immer nur das Beste für ihn gewollt, und den er enttäuscht hatte.
Das leuchtend weiße Haus, für einen einzelnen Bewohner viel zu groß, stand in einem gepflegten Garten. Auf sein Klingeln hin öffnete Käthe, die seit dem Tod der Mutter den Haushalt führte. Die alte Frau strahlte, als sie den seltenen Besucher erkannte.
„Junge, wie schön, dass du dich endlich wieder einmal blicken lässt. Nur herein mit dir!” Überschwänglich schloss sie ihn in die Arme. Ihre herzliche Begrüßung tat Klaus wohl. Er mochte Käthe. Allein ihre liebevolle Aufmerksamkeit hatte seine Pflichtbesuche während der Schulzeit und in den Ferien erträglich gestaltet. „Du bleibst zum Essen, ja?”
Sanft schob er sie von sich und musterte ihr erwartungsvolles Gesicht, in dem das Alter seine Spuren hinterlassen hatte. „Ich glaube nicht, nein, sicher nicht.”
Es tat ihm weh, zu sehen, wie ihre
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