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Renner & Kersting 01 - Mordsliebe

Renner & Kersting 01 - Mordsliebe

Titel: Renner & Kersting 01 - Mordsliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Schroeder
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noch immer.
     
    Erleichtert, weil endlich Wochenende war, schloss Helga am Freitagmittag die Schultür mit lautem Knall. Die Sonne schien, Vögel zwitscherten, und die Luft roch nach Frühling. Ein herrlicher Tag. Nach kurzem Überlegen schlug sie den Weg zum Westpark ein. Bei einem Spaziergang konnte sie den Ärger der letzten Woche am besten abstreifen. Tulpen und Narzissen blühten in verschwenderischer Pracht, auf den Bänken saßen gelangweilte Rentner und die gepflasterten Wege teilten sich Frauen mit ihren Einkaufstaschen, ein paar arbeitslose Glatzköpfe und spielende Kinder aus der vierten Klasse. Helga kannte sie flüchtig. Unentschlossen blieb sie am Rande eines Blumenbeetes stehen und ließ ihren Blick schweifen. Alles erschien normal wie immer. Eines der Mädchen entfernte sich von den anderen und schlenderte langsam auf einen untersetzten Mann mit Wohlstandsbauch und Stiernacken zu. Lange blonde Haare, ein superkurzes Röckchen und affektierte Bewegungen – das konnte nur Julia sein. Helga wusste ihren Namen, da sie das Mädchen regelmäßig aus dem Schulgebäude an die frische Luft befördern musste. Wenn man sie ließe, würde Julia sämtliche Pausen vor dem Spiegel in der Toilette verbringen. Mit zehn Jahren besaß sie ihren eigenen Schminkkoffer, den sie fleißig benutzte. Jetzt beugte der Kerl sich zu ihr hinunter. Er schien auf sie einzureden, dann strich er mehrfach über die seidigen Haare, ließ seine Hand über ihren Rücken nach unten gleiten, wo sie auf dem mageren Po liegen blieb. Helga wollte eingreifen, sah aber, dass Julia weder Unwillen noch Angst zeigte. Nach mehrmaligem Tätscheln der Wangen erhob der Alte sich, bemerkte Helga und zuckte zusammen. Mit kleinen, schnellen Schritten eilte er in die entgegengesetzte Richtung davon.
    „Hallo, Julia”, rief die Lehrerin das Mädchen an. „Was machst du denn hier? Du weißt doch, dass ihr hier nicht spielen sollt!”
    „Wo sollen wir denn sonst hin? Auf der Straße ist es so langweilig.”
    „Was wollte der Mann von dir?”
    „Der? Der wollte nur ein bisschen mit mir reden. Er hat gesagt, ich wäre eine hübsche junge Dame.” Sie spitzte ihr lippenstiftrotes Mündchen.
    „Du weißt, wie gefährlich es hier ist. Und du weißt auch, dass du nicht mit fremden Männern reden darfst!”
    „Wieso? Das war doch Marcels Papa. Der ist doch nicht fremd. Der wohnt bei uns im Haus.”
    Jetzt wusste Helga, weshalb ihr die Figur des Mannes so bekannt vorgekommen war. Der alte Wohman war nur einmal zum Elternsprechtag bei ihr gewesen, ziemlich angesäuselt und extrem weinerlich, weshalb sie seinen Auftritt nicht so schnell vergaß. Offenbar mochte er kleine Mädchen. War das die Lösung? Die Kinder kannten ihren Mörder, wie die Zeitungen berichteten. Und sie wurden nicht aus Hass umgebracht, wie die Lage der Opfer bewies. Wohman? Sandra und Marcel hatten ein Jahr dieselbe Klasse besucht, und Benni trieb sich anscheinend in vielen Häusern rum. Möglich, dass der Alte die Kinder kannte. Aber beide Opfer waren nicht missbraucht worden. Irgendwie passten sämtliche Hinweise nicht zusammen. Wieder einmal seufzte Helga tief auf. Eigentlich hatte sie das Wochenende genießen wollen, ohne an Sandra und Benjamin und ihre Familien zu denken. Aber so einfach ließen sich die Gedanken nicht abschalten. Immer wieder tauchte die Frage nach dem Wer und Warum auf. Und immer wieder die Angst, dass noch mehr geschehen könnte. Sie drehte sich um und ging langsam denselben Weg zurück.
    An der Schule stieg sie in ihr kleines Auto und quälte sich durch den zähflüssigen Verkehr nach Hause.
    Da sie zwar Hunger, aber zum Kochen keine Lust hatte, schob sie einen Kuchen in den Ofen, der nur aufgebacken werden musste. Heute Abend wollte sie ein neues Rezept für Tom-Yam-Suppe ausprobieren. Zitronengras, Ingwer, frischen Koriander und Kokosmilch hatte sie gestern noch im Rathauskiosk eingekauft, der seit kurzem auch asiatische Lebensmittel anbot, die Garnelenschwänze holte sie jetzt aus der Tiefkühltruhe und legte sie zum Auftauen in die Spüle.
    Dann stellte sie das Stövchen und eine Teetasse aus hauchdünnem Porzellan auf den niedrigen Tisch im Wohnzimmer und legte die Zeitung sowie den neuen Roman, in den sie hineinschauen wollte, dazu. Zur Einleitung des Wochenendes gab es frisch aufgebrühten starken Assam mit Rum und Kandis. Voller Vorfreude betrachtete sie ihr Arrangement. Der angewelkte Blumenstrauß störte noch ein wenig. Nachdem sie ihn entsorgt hatte,

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