Renner & Kersting 02 - Mordswut
pietätlos daherreden«, fuhr die Ältere sie an.
„Mehrere? Das ... das ist ja nicht zu fassen«, stotterte Helga. Sie war tatsächlich überrascht, denn davon hatte heute Morgen noch nichts in der Zeitung gestanden.
„Unsere gute Frau Hellwitz hier hat die Täterin in flagranti ...«
„Seien Sie still!«, unterbrach diese ihre redefreudige Kollegin. „Der Polizist hat verboten, darüber zu reden. Schließlich ist noch gar nicht erwiesen, dass die Frau es war.«
„Ach Quatsch, das ist doch so offensichtlich, dass es sogar ein Blinder mit Krückstock merkt«, rief die Dritte, die in Windeseile die Tastatur eines Computers bearbeitete und sich auch durch das Gespräch dabei nicht stören ließ.
„Eh, Sie meinen ...?« Helga ließ die Frage in der Luft hängen.
„Klar war es seine Zukünftige. Wer denn sonst? Unser Doktor hatte keine Feinde«, fuhr die Tastenkünstlerin im Brustton der Überzeugung fort, ohne den Blick vom Bildschirm zu lösen.
„Doktor Kowenius wollte heiraten?«
„Morgen sollte die Trauung sein. Ist das nicht traurig? Zwei Tage vor der Hochzeit ... und dann so ein Ende.«
„Der arme Mann«, seufzte Helga wieder. Langsam kam sie sich vor wie im Kitschroman. Nun mischte Frau Hellwitz sich ein, sehr energisch und ohne Chance auf Widerspruch.
„Wenn Sie warten wollen, wird Doktor Bergedorf Ihre Behandlung übernehmen. Das Wartezimmer ist dort drüben.«
„Wie lange wird das dauern?«
„Es ist besonders voll heute, auch wenn viele nur aus Neugier gekommen sind.« Ein vernichtender Blick traf Helga. „Mit zwei Stunden müssen Sie rechnen.
„Ich glaube, ich hole mir einfach etwas aus der Apotheke. Mit den Krämpfen mag ich nicht so lange hier sitzen.« Es wurde Zeit, etwas zur Bekräftigung ihrer angeblichen Krankheit zu tun. Da Helga in den Ferien gern und weit verreiste, kannte sie Schmerzen dieser Art aus eigener vielfältiger Erfahrung. Mit qualvoll verzogenem Gesicht und zusammengekniffenen Pobacken beugte sie sich nach vorn. „Wo ist die Toilette? Schnell bitte!«
Als sie kurze Zeit später in den Spiegel schaute, freute sie sich über ihre Vorsorge. Normalerweise benutzte sie wenig Make-up, doch heute hatte sie einen sehr hellen Puder aufgetragen. Dazu noch dunkle Schatten unter den Augen und jeder würde ihr die Kranke abnehmen. Frau Hellwitz schien misstrauisch geworden zu sein. Dem musste sie so rasch wie möglich begegnen. Mit Leidensmiene kehrte sie zurück und erklärte, nicht warten zu können.
9
Nach dem Besuch in der Arztpraxis fuhr Kersting auf die A 46 Richtung Hohenlimburg zur Wohnung des Ermordeten, wo zwei Techniker gerade dabei waren, ihre Sachen zusammen zu packen. Sie hatten den Tatort Zentimeter für Zentimeter abgesucht. Der eine, Gallmann, steckte seinen roten Kopf neugierig durch die Küchentür. Als er den Besucher erkannte, zog er ihn grußlos wieder zurück, was Kersting erleichtert zur Kenntnis nahm. Er wusste nicht genau, woran es lag, aber irgendwie geriet er mit dem Kollegen regelmäßig aneinander. Koslowski, der die Antipathie, die auf Gegenseitigkeit beruhte, kannte, grinste nur. „Den Weg hättest du dir sparen können. Nichts Neues. Und wenn du noch ein dutzend Mal fragst, es gibt keine Einbruchsspuren, weder an der Tür noch an den Fenstern. Eine Menge unterschiedlicher Fingerabdrücke, besonders auf der Ledergarnitur.« Er wies auf die Sessel, die gar nicht mehr fein aussahen, hatte das Pulver für die Fingerabdrücke doch eine Menge dunkler Schlieren hinterlassen. „Anscheinend hat der Doktor häufig Besuch gehabt. Dazu zwei Gläser auf dem Tisch, vermutlich vom Abend davor, und frischer Schmutz auf dem Teppichboden. Sieht so aus, als wäre da jemand hin und her gelaufen, immer denselben Weg, von der Tür zum Fenster und zurück. Die Täterin war nervös.« Die Strenge des Raumes, weißer Teppichboden und dunkle Sitzmöbel, wurde durch bunte Gabbehs ein wenig aufgelockert.
„Das passt zum Tatablauf. Kippen?«
„Nein, nur die Gläser – eines mit einem Rest Wodka.«
„Kein Hinweis auf ein Motiv? Drohbriefe, versteckte Computerdateien, Kreditkartenbelege von erotischen Clubs oder intime Fotos fremder Frauen? Der Ermordete wollte demnächst heiraten!«
„Das ist dein Problem.« Leise Belustigung schwang in Koslowskis Stimme mit. „Unsere Arbeit ist getan, es sei denn, du möchtest den Schmutz analysieren lassen?«
Kersting dachte an Kosten und Nutzen und winkte ab. „Wann krieg ich den Bericht?«
„Morgen früh.« Ein
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