Renner & Kersting 02 - Mordswut
mit diesen Übungsblättern für den Mathematikunterricht kann nur eine Lehrerin etwas anfangen. Ich werde das alles einstecken. Wenn Sie nicht einverstanden sind, können Sie nachher immer noch die Polizei rufen. Meinen Namen kennen Sie ja, und über die Schule bin ich jederzeit zu erreichen.«
Das schien die Better zu beruhigen. Trotzdem ließ sie die Lehrerin keine Sekunde aus den Augen. Helga wusste selbst nicht so genau, was sie in der Wohnung zu finden hoffte. Wenn sie nur den Argusaugen dieser Frau für ein paar Minuten entkommen könnte. Die erwartete offensichtlich, dass Helga sich verabschiedete. Plötzlich hörten sie lautes Klirren und dann das Geschrei eines Kindes.
„Sie haben alles, was Sie brauchen?« Die Frage wurde von einer eindeutigen Handbewegung begleitet. Aber Helga wollte sich nicht so schnell hinauskomplimentieren lassen.
„Ein Buch fehlt noch, das mit Namen, Anschriften und Fehltagen der Kinder. Ich habe es weder in ihrer Klasse, noch in ihrer Wohnung noch jetzt in der Tasche gefunden. Haben Sie eine Ahnung, wo es sein könnte?«
„Nein, natürlich nicht. Wenn Sie jetzt bitte gehen würden!« Offensichtlich wollte sie zu ihrer Tochter. In einem Ständer lagen Zeitungen und Zeitschriften durcheinander.
„Darf ich da einmal durchschauen? Sie können inzwischen Ihr Kind trösten. Ich werde sicher nichts wegnehmen, was nicht der Schule gehört!«
Die Better zögerte. Ein lauter Ruf nach Mama nahm ihr die Entscheidung ab. „Na gut. Ich bin sofort zurück.«
Kaum wandte sie Helga den Rücken, schaute die sich gründlich um. Der Arzt war zur Tür hereingekommen, hatte die Tasche abgestellt und den Mantel ausgezogen. Und dann musste es auch schon passiert sein. Die Hellwitz hatte ihm sein Handy bringen wollen. Wo würde sie es hingelegt haben, wenn sie gleich beim Hereinkommen mit der Leiche konfrontiert worden war? Außer der Garderobe befand sich im Flur nur ein kleines Schränkchen. Obenauf lag ein buntbemalter Seidenschal, vermutlich von Andrea. Sonst nichts. Helga öffnete die beiden länglichen Türen. Schals, Handschuhe und zwei Hüte. Weiter war die Hellwitz angeblich nicht gekommen. Das Geschrei von oben wurde leiser, verstummte schließlich ganz. Es blieb nicht viel Zeit. Schnell schaute sie in die Arzttasche und wühlte den Inhalt durch. Kein Handy. Ein suchender Griff in die Manteltaschen. Da steckte es. Wunderbar. Eine weitere Spur. Die Hellwitz hatte gelogen. Da sie ebenfalls einen Schlüssel besaß und zur Tatzeit anwesend war, zählte auch sie zu den Verdächtigen. Helga hörte Schritte auf der Treppe. Sie rannte zurück in die Küche und durchwühlte den Zeitungsständer: Arztzeitungen, ein paar Illustrierte, nichts Ungewöhnliches.
„Nun?«
„Da ist es auch nicht. Ich werde wohl warten müssen, bis Andrea wieder ansprechbar ist. Haben Sie sie schon im Krankenhaus besucht?«
„Soweit ich weiß, darf niemand zu ihr.« Das klang so endgültig, dass Helga jeden Versuch aufgab, ihren Abschied zu verzögern. Widerwillig verließ sie die Wohnung, die von der Better sorgfältig verschlossen wurde. Verflixt, wie konnte Helga nur das Gespräch auf den Freund der Better bringen? Ihre Gedanken rasten.
23
Zur gleichen Zeit saß Klaus Kersting an einer festlich gedeckten Kaffeetafel und fühlte sich äußerst unbehaglich. Er verfluchte seine Ehrlichkeit, oder besser seine Dummheit. Warum hatte er nicht einfach im letzten Moment abgesagt und dienstliche Gründe vorgeschoben? Andererseits ahnte er, dass dies nur einen Aufschub bedeutet hätte. Er würde auf alle Fälle erfahren, was sein Vater und dessen Frau ihm sagen wollten. Denn, dass sich hinter der Einladung mehr verbarg als eine familiäre Freundlichkeit, verriet ihm sein im Polizeidienst geschulter Instinkt.
„Wo steckt eigentlich Käthe?«, fragte er, als ihm plötzlich auffiel, dass er die Haushälterin, die seit dem Tod seiner Mutter, den Haushalt führte, noch gar nicht gesehen hatte.
„Vermutlich auf ihrem Zimmer«, gab sein Vater gleichgültig Auskunft.
„Aber ...« Käthe gehörte zum Haushalt. Und bisher war es selbstverständlich gewesen, dass sie mit am Tisch saß. Erstaunt bemerkte er, dass für sie nicht gedeckt worden war. Die Frau seines Vaters kam mit einer Kanne Kaffee in der Hand herein. Augenscheinlich hatte sie die letzten Worte gehört. „Käthe ist alt geworden. Sie schafft die Arbeit nicht mehr. Es wird Zeit, dass sie in Rente geht und wir jemand jüngeren einstellen.«
„Und wie sieht
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