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Renner & Kersting 02 - Mordswut

Renner & Kersting 02 - Mordswut

Titel: Renner & Kersting 02 - Mordswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Schroeder
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reingehört?“ Frau Vobitz kannte sich offensichtlich aus.
    „Bleibt beim Thema. Wie oft wird gewalttätiges Verhalten bei Männern entschuldigt, weil die angeblich stärkere sexuelle Bedürfnisse haben und Aggression in ihrer Natur liegt. Überlegenheit, Stärke und Durchsetzung ihres Willens wird ihnen nicht nur zugestanden sondern sogar erwartet. Und wenn ein Junge mit diesen Bildern aufwächst, ist es doch kein Wunder, wenn er sich später nimmt, was er will. Es wird höchste Zeit, dass sich nicht nur das Bild des Mannes sondern auch der Mann selbst ändert.«
    „Also wirklich!« Volker Reiser unterbrach Linda. „Wenn man dich so hört, kann man deinen Mann nur bedauern.«
    „Werd bloß nicht persönlich! Mein Mann besitzt sehr viel Verständnis und nimmt sich bestimmt nicht, was er will!«
    Das klang, als könnte jeden Moment ein Streit ausbrechen. Helga wandte sich überdeutlich an Frau Stellmann: „Wollen Sie einen eigenen Bericht schreiben, oder sollen wir uns absprechen? Vielleicht in der nächsten Pause?«
    Die Stellmann nickte erleichtert. Offensichtlich war sie froh, dass Helga ihr die unangenehme Arbeit abnehmen wollte.
    „Aus gegebenem Anlass weise ich euch darauf hin, nicht in Grundschuldeutsch zu schreiben«, rief Reiser beiden zu. „Benutzt Pädagogenwelsch, sonst kommt das Zeug zurück.« Auf ihre verständnislosen Blicke hin erklärte er: „Ich hatte ne SAV ... Oh, nun habe ich das böse Wort wieder gesagt!« Theatralisch presste er die Hand vor den Mund und rollte die Augen. Das Kollegium kicherte. Es war ihre Art, Frust abzulassen. Umbenennungen und Neuregelungen des Sonderschul-Antrags änderten an der Sache selbst nichts. Für Eltern besaß diese Schulform nun einmal ganz und gar nichts Anziehendes. Der Zwischenfall hatte jedoch die Stimmung gelöst. Selbst Linda kicherte, als Reiser mit weinerlicher Klein-Jungen-Stimme fragte: „Muss ich jetzt zehnmal schreiben, ich darf nicht mehr SAV sagen?«
    In dem Moment klingelte es. Noch immer erheitert gingen sie alle wieder an die Arbeit.
     
    Nach der sechsten Stunde stand plötzlich Brittas Mutter vor der Tür. Erst als alle Schüler den Raum verlassen hatten, kam sie herein.
    „Sie wollen sicher Ihre Tochter abholen.“
    „Nicht nur. Ich möchte auch mit Ihnen sprechen. Ich habe mich über Sie erkundigt, und Sie scheinen eine vernünftige Person zu sein, die auch den Mund halten kann.«
    Bevor Helga ihrer Überraschung Herr wurde, fuhr die Frau schon fort. „Ich will nicht, dass Britta Thema im Lehrerzimmer wird. Auf gar keinen Fall. Es ist eh alles schwer genug für uns.«
    Mit einer Handbewegung bot Helga Frau Soltau einen der Kinderstühle an. Die schüttelte den Kopf. „Danke, ich bleibe lieber stehen. Außerdem sind die kleinen Dinger zu unbequem. Also, es ist so: Ich bin seit rund zwei Jahren geschieden. Mein ... Brittas Vater hat sie missbraucht. Ich wusste es nicht. Gesagt hat sie es erst lange nach der Scheidung, als ... als der Papa sie regelmäßig sehen wollte. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Ich konnte es nicht glauben. Aber so etwas erfindet doch kein Kind! Und dann war ich bei einer Psychologin. Ja, und die hat mir dann gesagt, dass es keinen Zweifel gibt, dass Britta sich genau so verhält, wie es für ... für solche Kinder typisch ist.« Zuletzt hatte sie sich weggedreht, zum Fenster hin gesprochen und war immer leiser geworden. Jetzt schaute sie Helga direkt in die Augen. „Ich will nicht, dass darüber geredet wird. Nicht unter den Lehrern und erst recht nicht unter den Eltern. Es gibt immer noch genug Leute, die der Meinung sind, die Mädchen seien Schuld, weil sie aufreizend gekleidet herumlaufen, oder dass das alles doch nicht so schlimm ist. Außer der Psychologin weiß niemand etwas.«
    „Und Ihr Ex-Mann, haben Sie mit ihm darüber gesprochen?«
    „Das musste ich. Schließlich will ich nicht, dass er Britta weiterhin zu sich holt. Er hat natürlich alles abgestritten. Erst als ich mit Jugendamt und Gericht drohte, hat er sich bereit erklärt, auf sein Besuchsrecht zu verzichten.« Helga hatte schon häufiger mit Missbrauchsfällen zu tun gehabt, aber zwei zur gleichen Zeit war doch etwas heftig. Andererseits schien Frau Soltau die Lage unter Kontrolle zu haben, sodass sie sich nicht zu kümmern brauchte. „Britta hat noch immer Angst, dass ihr Vater ihr auflauern könnte, deshalb traut sie sich nicht allein nach Haus. Die Angst sitzt tief. Und die können wir ihr so schnell auch nicht nehmen. Also

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