Renner & Kersting 03 - Mordsgier
Statistik zeigt.«
»Das sind frauenfeindliche Vorurteile!«, behauptete Kriminalkommissarin Lydia Hopf. Sie knüllte einen ihrer Notizzettel zusammen und wollte ihn ihrem Kontrahenten an den Kopf werfen, änderte aber ihre Absicht nach einem kurzen Blick auf Kerstings saures Gesicht und steckte den Papierball in ihre Jackentasche. »Im Übrigen, was die Statistik angeht – damit kann man alles und gar nichts beweisen. Wusstet ihr zum Beispiel, dass der Rückgang der Klapperstörche statistisch gesehen mit dem Rückgang der Geburten übereinstimmt?«
»Und was lehrt uns das?«
»Keine Diskussionen über Klapperstörche zu führen! Zurück zum Thema«, befahl Kersting eisig. Mit Gallmann verband ihn eine auf Gegenseitigkeit beruhende Antipathie.
»Was ist mit dem durchs Abi gerasselten Schüler? Seine Eltern besitzen einen Garten und in der Garage ein umfangreiches Sammelsurium von Schädlingsbekämpfungsmitteln, Putzmitteln fürs Auto, Farbresten und sonstigem Zeugs. Gut möglich, dass da auch mal E 605 dabei war. Er hat ein starkes Motiv, Rache an dem Lehrer, der ihm das Abi vermasselt hat. Und ein Alibi für Montagmorgen kann er auch nicht vorweisen.« Masowski war nach Beendigung der Sache Pawalek der Mordkommission Wohlfang zugeteilt worden.
Gallmann schüttelte den Kopf. »Heutzutage besorgen Schüler sich ’ne Waffe und ballern drauf los. Ein heimtückischer Giftmord ... nee, das passt nicht.«
»Irgendwann ist immer das erste Mal.«
Wieder war es Kersting, der zum eigentlichen Thema zurückkam. »Während des Verhörs hat er wieder und wieder betont, wie froh er ist, nicht mehr zur Schule zu müssen. Dass die Idee mit dem Abitur ausschließlich von seinen Eltern stammt und er mit Schule nichts mehr am Hut hat. Ich muss sagen, er wirkt überzeugend. Andererseits bin ich sicher, dass er etwas verschweigt. Vielleicht hat es nichts mit dem Fall zu tun, aber jemand sollte noch einmal mit ihm reden.« Dabei schaute er den Kommissaranwärter an, der frisch von der Polizeischule zu ihnen gekommen war. »Sie kennt er noch nicht, und Sie sind ihm altersgemäß am nächsten. Versuchen Sie, sein Vertrauen zu gewinnen.«
Der junge Mann nickte. »Gleich morgen früh.«
»Was ist mit den Fingerabdrücken auf den Gewürzen? Konnte davon inzwischen einer zugeordnet werden? Und das Haar in der Kaffeedose. Wem gehört das?«, fragte Frau Hopf.
Gallmann fühlte sich angesprochen. »Keine Chance. Die Fingerabdrücke sind zu undeutlich, und das Haar stammt von Wohlfang. In jedem Fernsehkrimi wird gezeigt, dass direkter Kontakt Spuren hinterlässt. Wahrscheinlich hat der Täter Zimtstangen, Nelken und Kardamom beide Male mit der Pinzette angefasst und auch noch Handschuhe getragen.«
»Die Nachfrage bei den Verkäufern?«
»Sinnlos.«
Masowski hatte die Vernehmungsprotokolle genau studiert. »Da gibt es doch noch einen Kollegen, über den Wohlfang sich immer wieder lustig gemacht hat.«
»Welchen meinst du? Thode?«
»Der käme auch in Betracht, nein, ich meinte den Tibber. Er besitzt einen riesigen Garten, ein mehr als ausreichendes Motiv und die Möglichkeit. Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was uns seine lieben Kollegen erzählt haben, muss der den Wohlfang gehasst haben wie die Pest.«
Wie Kersting es erwartet hatte, waren einige Lehrer in den Einzelvernehmungen sehr auskunftsfreudig gewesen. Teilweise aus einem unbestimmten Gerechtigkeitsempfinden heraus, teilweise, um anderen eins auszuwischen. Demnach musste Rufus Wohlfang ein arrogantes, egoistisches Schwein gewesen sein und an der Ausübung von Macht so viel Gefallen gefunden haben, dass er sich damit nicht auf die Schüler beschränkte, sondern sich auch auf Kosten der Kollegen amüsierte und sich mit diversen Eltern anlegte.
»Ein gesundheitsbewusster Vegetarier und Ökofreak wie der benutzt kein Gift! Und falls er es früher gebraucht haben sollte, hat er es bestimmt nicht aufbewahrt! Wir sind uns doch wohl einig, dass es aus Restbeständen stammt und nicht extra angeschafft wurde, oder?«
Allgemein zustimmendes Nicken. Auf Kerstings Schreibtisch klingelte das Telefon. Verärgert über die Störung zögerte er einen Moment, bevor er dann doch zum Hörer griff. Nach einem geknurrten »Jetzt nicht!« wollte er auflegen, was der Anrufer erfolgreich zu verhindern wusste. Allmählich wechselte Kerstings Gesichtsausdruck von gequälter Höflichkeit zu interessierter Aufmerksamkeit.
»Eine Lehrerin«, erklärte er den Anwesenden. Masowski verkniff sich
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