Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
den Boden fallen. Plötzlich fühlte sie sich schutzlos in ihrer Nacktheit. In der Tür steckte der Schlüssel. Arthur würde bestimmt nicht hereinkommen, aber sie schloss trotzdem ab.
Im heißen Wasser entspannte sie sich. Mit geschlossenen Augen überließ sie sich der wohligen Wärme. Nichts mehr denken müssen, das war schön. Aber gleich darauf fiel ihr Thomas ein. Wie konnte es sein, dass sie sich hier, in einem fremden Haus sicherer fühlte als mit ihrem Mann? Dieser verdammte Schweinehund! Endlich löste sich die Anspannung der letzten Stunden in einem Tränenstrom auf.
Kritisch betrachtete Arthur die zwei Sektgläser auf dem Tisch. Vielleicht wäre heißer Tee besser. Wenn er durchnässt nach Hause gekommen war, hatte Maria ihm immer die Haare trocken gerubbelt. Dann hatte er im Bademantel mit dicken Socken an den Füßen im Sessel gesessen und aufs Essen gewartet. Ach du meine Güte - Essen! Daran hatte er überhaupt nicht gedacht. Bestimmt hatte Leni Hunger. Sollte er Pizza bestellen? Ob sie so etwas überhaupt mochte? Er ging in den Flur und lauschte. Oben war alles still.
„Leni“, rief er probeweise.
„Ja?“, kam zögernd eine Antwort.
Sie war wohl fertig mit Baden.
„Möchtest du ein Glas Sekt? Oder einen Tee?“
„Tee wäre super. Ich komme gleich runter.“
Er stellte die Sektgläser zurück in den Schrank und setzte Wasser auf. Gut, dass ihm das noch eingefallen war.
Arthur hörte, wie Leni im oberen Stockwerk herumhantierte. Es fühlte sich gut an, nicht mehr allein zu sein. Er schaltete den Fernseher ein. Es lief ein Quiz, die Leute klatschten und lachten. Zufrieden pflanzte er sich in seinen Sessel und griff nach dem Apfelweinglas. Aber so richtig auf die Sendung konzentrieren konnte er sich nicht. Zwischen zwei Lachsalven hörte er leise Schritte auf der Treppe. Die Wohnzimmertür, die er nur angelehnt hatte, ging langsam weiter auf, und seine neue Untermieterin kam herein.
Verblüfft starrte er sie an. Leni in einem rosa Frotteeanzug und mit einem Handtuch auf dem Kopf, das hatte etwas Überraschendes. Sie sah aus wie ein großer Plüschhase, dem man die Ohren amputiert hatte. Arthur sprang auf.
„Setz dich auf die Couch. Hier hast du eine Decke. Ich mach dir Tee.“
Er verschwand in der Küche. Auf Anhieb fand er die Teebeutel und sogar noch eine angebrochene Packung Kekse. Stolz kredenzte er Leni ihre erste Mahlzeit. Sie bedankte sich, aber irgendwie schien sie auf etwas zu warten. Sie schaute so komisch im Zimmer herum.
„Willst du was Richtiges essen? Ich hab nichts eingekauft. Aber wir könnten Pizza bestellen.“
„Hast du Eier da?“
„Ich schau nach!“
Sie folgte ihm in die Küche. Stolz präsentierte er zwei Eier, die sogar noch halbwegs frisch sein mussten. Leni bedankte sich.
„Du verpasst deine Sendung. Ich komm schon klar hier.“
Nach einer Weile kam Leni mit einem Tablett ins Wohnzimmer. Darauf stand ein gekochtes Ei in einem Eierbecher. Ein Butterbrot lag daneben, das Leni jetzt in gleichmäßig breite Streifen zerschnitt. Sie köpfte das Ei und streute Salz darauf. Dann tunkte sie einen Brotstreifen in das flüssige Eigelb und schob ihn sich genüsslich in den Mund. Erst als sie fast aufgegessen hatte, bemerkte sie, dass Arthur fasziniert zuschaute.
„Entschuldigung. Das brauch ich jetzt.“
„Mach nur.“
„Es sieht ein bisschen eklig aus, ich weiß. Aber das ist so ein Überbleibsel aus meiner Kindheit. Wenn es mir nicht gut ging, hat mir meine Mutter immer ein Ei gekocht. Das Butterbrot dazu hat sie in Streifen geschnitten, genau wie ich jetzt. Für mich ist das ein Tröste-Essen.“
„Aha.“
Verlegen stopfte Leni sich den letzten Brotstreifen in den Mund und stand auf, um den Teller in die Küche zu tragen.
„Hast du was dagegen, wenn ich hoch gehe? Ich bin total groggy.“
„Geh nur.“
Der rosa Hase verschwand. Ein merkwürdiger Start, sinnierte Arthur leicht frustriert. Was hatte er sich da ins Haus geholt?
Routiniert fasste Charly den neuen Auftrag zusammen.
„Sie möchten also dieses Haus kaufen, so schnell wie möglich. Das Höchstangebot habe ich mir notiert. In Ordnung, Herr Köhler, ich werde mich darum kümmern.“
Seine Schreibkraft war zum Glück zu Hause, als er anrief.
„Es gibt Arbeit. Können Sie heute Nachmittag für eine Stunde rein kommen?“
Sie war diese spontanen Anrufe inzwischen gewohnt. Manchmal hörte sie tagelang nichts von Herrn Duffner. Aber wenn er sich meldete, war es immer dringend.
Charly
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