Replay - Das zweite Spiel
über dem Teufelscanon.
»Bist du schon mal geflogen?«, fragte er.
»Meinst du in einem Segelflugzeug oder mit einem Paraglider? Nein. Nein, bin ich nicht.«
Er legte beide Arme um ihre Taille, hielt sie eng umschlungen. »Wir werden fliegen«, flüsterte er in die Weichheit ihres lohfarbenen Haars. »Wir werden zusammen fliegen.«
Hinter Revelstoke fuhr der Zug an großen, düsteren Gletschern entlang; der Aufstieg in die Rocky Mountains hatte begonnen. Dichte Wälder von Rotzedern und Schierlingstannen bedeckten die umliegenden Berghänge, und hinter einer Biegung gelangte plötzlich ein zwischen zwei Gletschern eingeschlossenes Erikafeld in Sicht. Die rosa und purpurfarbenen Blüten bewegten sich leicht und schimmerten im sanften Frühlingswind, ihre vergängliche Schönheit ein stiller Vorwurf an die teilnahmslosen Wände aus Eis, die sie umgaben.
Den Blumen ist eine gewisse erotische Qualität zu eigen, dachte Jeff. Ihr fragiles, windbewegtes Schmeicheln vor dem Hintergrund des unerbittlichen Gletschers, ihre kraftvolle Farbe, die so sehr den Lippen einer Frau gleicht, oder…
Er lächelte Pamela an, die neben ihm saß, legte ihr die Hand aufs bloße Knie und ließ seine Finger unter den Rocksaum gleiten. Ihre Wangen röteten sich, als er zärtlich die Innenseite ihres Schenkels streichelte. Sie blickte sich im Aussichtswagen um, ob ihnen jemand zusah, doch die Augen der anderen Reisenden blieben auf das draußen vorbeiziehende Schauspiel gerichtet.
Jeffs Hand bewegte sich höher, berührte feuchte Seide.
Pamela gab einen winzigen Seufzer von sich, als er sanft ihre Spalte drückte, und krümmte sich gegen den Ledersitz zurück. Er zog seine Hand langsam weg und streichelte ihr mit den Fingerspitzen leicht übers Bein hinunter.
»Lust auf einen Spaziergang?«, fragte er. Sie nickte. Er nahm ihre Hand und geleitete sie aus dem Aussichtswagen. Zwischen Salon- und Speisewagen legten sie eine Pause ein, wahrten zusammen ein prekäres Gleichgewicht, während sie dastanden und sich auf der schwingenden Metallplattform küssten. Der durchs offene Fenster peitschende Wind war mindestens fünfzehn Grad kälter als am Morgen bei ihrem Aufbruch in Vancouver, und Pamela zitterte in seinen Armen.
Ihr Schlafwagen war leer; anscheinend waren alle anderen weggegangen, um die Aussicht des Panoramawagens zu genießen oder um zu speisen. Im Innern des Doppelabteils angelangt, klappte Jeff eins der Betten herunter, und Pamela streckte die Hand aus, um die Sonnenjalousie herunterzuziehen. Jeff kam ihr zuvor und zog sie an sich.
»Lassen wir uns durch die Landschaft inspirieren«, sagte er.
Sie widersprach im Scherz. »Wenn wir sie offen lassen, werden wir selbst zu einem Teil der Landschaft.«
»Niemand kann uns sehen, außer ein paar Vögeln und Hirschen. Ich möchte dich im Sonnenschein sehen.«
Pamela trat von ihm zurück. Umrahmt vom wechselnden Hintergrund aus schneegespeisten Flüssen und Felsen aus purem Eis knöpfte sie die Bluse auf, streifte sie sich über die Arme. Sie zupfte am Rockgürtel, und das Kleidungsstück glitt sanft zu Boden.
»Warum siehst du nicht auf die Landschaft?«, fragte sie mit einem Lächeln.
»Das tu ich doch.«
Sie streifte den Rest ab, stand nackt vor der zerklüfteten Wildnis, die draußen vorüberhuschte. Jeffs erwartungsvoller Blick wanderte über ihren Körper, während sie sich auszog, und dann trat er zu ihr, umarmte sie, drückte sie in den weichen Sessel neben dem offenen Fenster und vereinigte sich mit ihr, während die Nachmittagssonne über ihre Gesichter flimmerte und unter ihnen die Räder in stetigem Rhythmus über die Schienen ratterten.
Der Zug brauchte vier Tage und Nächte, um Montreal zu erreichen, und eine Woche später fuhren sie mit ihm wieder zurück in den Westen.
»Was ist mit dem Mittelalter?«, fragte Pamela. »Stell dir vor, wie das gewesen wäre, wieder und wieder die gleiche schreckliche Eintönigkeit.«
»Das Mittelalter war nicht ganz so trübselig, wie die meisten Leute annehmen. Ich glaube jedenfalls, ein größerer Krieg und die Jahre davor wären viel schlimmer gewesen. Stell dir vor, immer wieder ins Deutschland des Jahres 1939 zurückzukehren.«
»Wenigstens hätte man es verlassen, in die USA gehen und sich in Sicherheit wissen können.«
»Nicht als Jude. Was, wenn du schon in Auschwitz gewesen wärst?«
Diesen Monat war das ihr Lieblingsthema - wie die Erfahrung des Wiederholens für jemanden in einem anderen Zeitalter gewesen wäre,
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