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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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aufbrachen.
    Das Boot legte vom Ufer ab und tuckerte langsam auf die Mitte des Sees hinaus. Die Luft war erfüllt von dumpfen Donnerschlägen, und ich spürte bereits die ersten feinen Regentropfen auf meiner Haut.

33
    Die Fahrt kam mir diesmal länger vor als beim ersten Mal. »Was haben Sie eigentlich vor?«, fragte ich den Jäger. »Finden Sie nicht, dass Sie mir zumindest in diesem Fall eine Erklärung schuldig sind?«
    »Was wollen Sie wissen?«
    Seine Offenheit überraschte mich. Ich hatte eigentlich erwartet, dass wir uns bis zum Ende der Reise anschweigen würden, doch Maloney war ein Mann, der schwer zu durchschauen war. »Ich will wissen, warum es für Sie so verdammt wichtig ist, Mokéle zu töten? Reicht es Ihnen nicht, dass Ihr Freund gestorben ist und wir unseren Job erledigt haben?«
    Er hustete. » Wissen Sie, was das Problem ist, Mr. Astbury? Unsere Vorstellungen davon, wann ein Job erledigt ist und wann nicht, passen nicht zusammen. Erinnern Sie sich noch an die Geschichte, die ich Ihnen am Nachmittag unserer ersten Begegnung in Palmbridge Manor erzählt habe?«
    »Sie meinen die Krokodilgeschichte?«
    »Genau die. Sie haben mir damals nicht geglaubt, das konnte ich an Ihrer Reaktion ablesen. Und doch war jedes Wort davon wahr. Ich vermute, der Grund für Ihren Zweifel lag darin, dass Sie den tieferen Sinn der Geschichte nicht verstanden haben. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass jemand eine halbe Million Dollar ausschlägt, nur um seine persönliche Rache zu befriedigen. Habe ich Recht?«
    »Durchaus.«
    »Wenigstens sind Sie ehrlich. Aber es hat keinen Sinn, Ihnen die Sache mit Mokéle zu erläutern, wenn Sie schon die Geschichte mit dem Krokodil nicht verstanden haben. Denn im Grunde ist es dieselbe Geschichte, nur, dass mein Gegner diesmal etwas größer und etwas schlauer ist.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Und ob ich sie verstanden habe. Und ich muss zugeben, dass ich Sie überschätzt habe, Maloney. Für einen Moment dachte ich, es würde mehr dahinterstecken als nur Rache. Aber das ist alles, worum es Ihnen geht, nicht wahr? Um die Befriedigung eitler, selbstgefälliger Rachegelüste, geboren aus Minderwertigkeitsgefühlen und Selbstmitleid. Hätten Sie jetzt noch ein Holzbein, Sie glichen Kapitän Ahab bis aufs Haar.« Abfällig spuckte ich ins Wasser. »Ich kann Sie nur aufrichtig bedauern.«
    »Das können Sie halten, wie Sie wollen, es kümmert mich ehrlich gesagt einen Dreck«, sagte er. »Rache sagen Sie? Lächerlich. Rache hat damit überhaupt nichts zu tun. Es geht um das Gleichgewicht der Dinge, um ihre natürliche Balance, aber selbst wenn ich es Ihnen erklären wollte, Sie würden es nicht verstehen. Genauso wenig, wie Sie die Sage von Beowulf verstanden haben.«
    »Was soll das denn jetzt schon wieder heißen? Grendel war böse, also hat Beowulf ihn erledigt, das ist alles.«
    »Blödsinn. Gut und Böse sind menschliche Maßstäbe, die weder in der Natur Gültigkeit besitzen noch in den alten Legenden. Beowulf ging es darum, das Gleichgewicht wieder herzustellen. Auge um Auge, Zahn um Zahn, haben Sie das vergessen? Ach ja, Sie lesen das Alte Testament ja nicht mehr. Hätten Sie mal tun sollen, denn darin finden Sie Wahrheiten, die noch nicht so verwässert sind. In meinem Land gibt es übrigens eine ähnliche Legende. Die Sage von Nyngarra.«
    Ich horchte auf. »Der Name, den Sie in den Baum geritzt haben?«
    »Exakt. Nyngarra war ein Wesen aus Stein. Unbesiegbar. Er durchstreifte die Landschaft und tötete jeden, der sich ihm in den Weg stellte. Selbst hundert Männer konnten ihn nicht besiegen. Ein weiser alter Mann schlug darauf hin vor, eine riesige Falle zu bauen, ein Loch im Boden, bedeckt mit Zweigen, darauf die Stücke eines zerteilten und gebratenen Kängurus. Angelockt von dem Duft kam Nyngarra, sah das Fleisch, griff danach und stürzte in die Falle. Daraufhin warfen die Männer Äste und Feuer in die Grube, so lange, bis die Hitze den steinernen Mann sprengte. Felsbrocken regneten überall herab. Die roten waren sein Körper, die schwarzen seine Leber und die hellen sein Fett. Das Gleichgewicht war wieder hergestellt.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Die Geschichte könnte man genauso gut auch anders interpretieren. Sie basteln sich Ihre Welt so zurecht, wie sie Ihnen gerade passt.«
    »Und Sie gehören zu dieser Gruppe von Menschen, die ihr ganzes Leben im Schoße ihrer selbst geschaffenen Zivilisation verb racht haben und denen jegliches Gespür für die

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