Reptilia
und ihm dämmerte, was nun geschehen würde. Es wollte landen.
Aber wo? Hier gab es nur Bäume und Sträucher, so weit das Auge reichte. Sie würden das zerbrechliche Gefährt zerfetzen, noch ehe es den Boden berührte. Ein schreckliches Unglück wäre die Folge.
Egomo klammerte sich an einen Zweig und schickte ein Stoßgebet zu den Göttern. Sein Bedarf an Katastrophen war für heute gedeckt.
Das Flugzeug war mittlerweile so weit nach unten gesackt, dass ihm ein verrückter Gedanke kam. Vielleicht würde es doch kein Unglück geben. Vielleicht handelte es sich bei den beiden Anhängseln um Boote, und das Gefährt würde auf dem Wasser aufsetzen. Egomo sprang auf und verfolgte das Schauspiel mit weit aufgerissenen Augen.
Seine Intuition hatte ihn nicht getrogen. Die Maschine kam vom Himmel herab, immer niedriger, setzte auf und rauschte, in aufspritzende Gischt gehüllt, über das Wasser. Dann wurde sie langsamer und schwamm wie ein Kanu in die seichte Uferregion rechts von ihm, nur wenige hundert Meter entfernt. Die kreiselnden Blätter an der Spitze wurden langsamer, und mit einem letzten Husten erstarb das Brummen. Stille kehrte ein. Dann öffnete sich die Tür und ein großer weißer Mann mit einem breitkrempigen Hut kam zum Vorschein. Er blickte sich um, tänzelte dann über den Schwimmer, sprang mit einem gewaltigen Satz an Land und befestigte das Fluggerät mit einem Seil am Ufer. Egomo wurde erst jetzt klar, dass dieser künstliche Vogel, wie alle Maschinen, von Menschen bedient wurde. Seine scharfen Augen offenbarten ihm, dass es mindestens drei oder vier waren, die sich im Inneren des Flugzeugs befanden. Nun erblickte er auch eine Frau, die aus dem Flugzeug kletterte, zu erkennen an ihren Zöpfen und den Brüsten, die sich unter ihrem schreiend bunten Hemd abzeichneten. Eine Schwarze, wenn auch nicht von seinem Stamm. Die anderen Passagiere zogen es vor, sich nicht blicken zu lassen. Was wollten diese Fremden hier, und vor allem, warum waren sie ausgerechnet auf dem See gelandet? Wussten sie denn nicht um die Gefahr, die von dem Wasser ausging? Wahrscheinlich nicht, wie sollten sie auch? Er selbst hatte die Geschichten von Mokéle m’Bembé ja lange Zeit als Märchen abgetan.
Egomo hielt sich die schmerzende Schulter und stand auf. Der Tod hatte zu warten. Erst musste er diese Menschen beobachten, herausbekommen, was sie hier wollten. Je nachdem, wie sie sich verhielten, würde er sie in das Geheimnis, das diesen See umgab, einweihen und sie warnen.
Vorausgesetzt, es blieb ihm genug Zeit dazu.
18
»Helfen Sie mir mal mit der Kiste«, brüllte Maloney mir aus dem Flugzeug zu. »Ich kann das verdammte Ding nicht allein tragen.«
»Warten Sie, ich bin gleich bei Ihnen«, rief ich, während ich versuchte, den Wasserkessel auf dem Ständer des schmalen Campingkochers auszubalancieren. Endlich hielt die wackelige Konstruktion, und ich eilte zu Maloney. Mit der größten Leichtigkeit sprang ich vom Ufer aus auf den Schwimmer, als ob ich noch nie etwas anderes getan hätte. Das Flugzeug war mir schon richtig ans Herz gewachsen. Die rostige alte Kiste mit all ihren Macken und Empfindlichkeiten strahlte etwas geradezu Menschliches aus. Schon seltsam, dass sich ein solches Gefühl überhaupt auf ein lebloses Objekt übertragen ließ.
»Hier, halten Sie das«, kommandierte Maloney, als ich bei ihm eintraf. Schnaufend und schwitzend versuchte er neben mir auf dem Schwimmer Fuß zu fassen.
»Meine Güte, ist die schwer«, bemerkte ich. »Was ist denn da drin? Bleigewichte?«
»Ausrüstung.«
»Was Sie nicht sagen.«
Maloneys Fuß rutschte von der schmalen Eisenstufe ab und landete hart auf dem Schwimmer. Er stieß einen Fluch aus, als das Flugzeug zu wippen begann und uns die Kiste zu entgleiten drohte. Nur mit Mühe gelang es uns, das Gleichgewicht zu halten und die gewichtige Zarges-Box unbeschadet an Land zu wuchten. Schwer atmend ließ ich mich wieder neben dem Kaffeewasser nieder, das mittlerweile fröhlich sprudelte. Sixpence und Elieshi bauten hinter den Bäumen die Zelte auf, was ihnen einen Riesenspaß zu bereiten schien, denn die beiden kicherten unentwegt. Ich griff nach einem Stofftuch, hob den Topf von der Flamme und goss das Kaffeepulver auf. Ein belebender Geruch verbreitete sich. Ich bot Maloney eine Tasse an. »Jetzt weiß ich immer noch nicht, wofür wir da eben unser Leben riskiert haben.«
Der Hüne nahm einen Schluck aus der Tasse. Dann stellte er sie ab und ließ die Schlösser der
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