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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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„aber … na ja. Da kommt Wanda.“
    Die Frauen umarmten sich, Anuschka machte die beiden miteinander bekannt und Wanda drängte auf Polnisch: „Wir müssen rasch zu meinem Auto, ich steh im Halteverbot.“ Anuschka übersetzte es für Hans im Davonlaufen. Er eilte der Kellnerin entgegen, drückte ihr einen Schein in die Hand und sputete sich, die beiden einzuholen.
     
    In einem desolaten, um nicht zu sagen verkommenen Viertel von Bochnia stand das schmucke Häuschen der Witwe Bilawa in einem gepflegten Garten. Frisch geweißelt und mit grün gestrichenen Klappläden war es inmitten eines von blühenden Rosensträuchern umsäumten, grasgrünen Rasens eine Augenweide. Wanda stoppte ihren Skoda vor dem weiß lackierten Gartentor. Sie hatten sich nicht anmelden können, Kobieta Bilawa, Frau Weiß, verfügte über keinen Telefonanschluss.
    „Es ist nicht gut, unangemeldet vor fremden Wohnungen plötzlich auf der Matte zu stehen.“ Hans fühlte sich wieder einmal recht hilflos, Anuschka kannte das von früher. Damals hatte sie das wütend gemacht. Wieso eigentlich?
    „Ich schlage vor“, sagte Wanda, „ihr bleibt im Auto sitzen und ich klopfe erst mal an, sozusagen als Vorhut, und trage Frau Weiß Ihr Anliegen vor, was meinen Sie, Herr Rehbein?“ Anuschka übersetzte.
    „Das ist die Lösung, bin Ihnen dankbar dafür.“
    Das Gartentor war unverschlossen und die Haustür mit einem bronzenen Klopfer ausgestattet, den Wanda nun betätigte. Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie zurückkam, zusammen mit der alten Dame, einer zierlichen, behänden Person, die heftig gestikulierend und mit lachendem Gesicht herbeieilte. Hans und Anuschka stiegen aus und ließen sich begrüßen und ins Haus dirigieren, begleitet vom Wortschwall ihrer melodischen Stimme, den Anuschka für Hans übersetzte. „Sie wollen mit mir über mein Täubchen sprechen, wie schön für mich. Theresa hat sich lange nicht mehr gemeldet, dabei lasse ich ihretwegen Tag und Nacht mein Handy eingeschaltet. Bitte sehr, kommen Sie herein, ich freue mich, dass Sie gekommen sind.“ In der Eingangsdiele rief sie laut: „Maria, stellen Sie Kaffeewasser auf!“, und fragte ihre Besucher: „Oder möchten Sie lieber Tee?“
    Nein – Kaffee kam ihnen gerade recht.
    „Ich hoffte, Theresa bei Ihnen anzutreffen. Dass sie sich lange nicht mehr bei Ihnen gemeldet hat, ist nicht lieb von ihr! Sie so zu vernachlässigen!“
    „Mich vernachlässigen, Theresa? Ich bitte Sie! Ich glaube nicht, dass eine zweite Großmutter auf dieser Welt von einem Enkelkind so umsorgt wird wie ich. Ohne mein Täubchen wäre ich längst in einer alten Bretterbude verhungert oder erfroren. Meine Gesundheit und alles, was ich habe, verdanke ich Theresa, sie sorgt großzügig für mein Auskommen. Das gibt es schon mal, dass ein lebensfrohes, junges Ding zwei, drei Wochen nicht an seine alte Oma denkt, und mir kommt das gleich wie eine Ewigkeit vor. Und dann kann es geschehen, dass sie plötzlich mit einem Blumenstrauß vor der Tür steht. – Meine Güte, ich rede und rede und lasse Sie hier in der Diele stehen!“
    Die Redseligkeit der alten Dame kam Rehbein sehr zupass, gute Aussichten, einiges zu erfahren. Sie öffnete die Tür zur guten Stube und wies einladend auf die Sitzgarnitur aus der Zeit des zweiten Rokoko, Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Hans hatte in seiner Studentenzeit im Antiquitätenhaus „Queen Anne“ mit Begeisterung gejobbt und dabei fundiertes Wissen aus der Welt der Antiquitäten erworben. Er fühlte sich unbehaglich, kam sich wie ein Judas vor. Die reizende alte Dame, die an ihrem „Täubchen“ offenbar sehr hing, hielt ihn für einen Freund Theresas, der Verbrecherin, die er fieberhaft suchte.
    „Sie unternehmen eine so weite Reise, nur um meine Enkelin eventuell hier zu treffen?“
    Dass er vor einer Stunde erfuhr, dass es keinen Netzanschluss gab, half ihm aus der Klemme. „Ich fand keinen Telefoneintrag von Ihnen, sonst hätte ich Sie am Telefon befragt – ich muss Theresa unbedingt finden. Sie ist möglicherweise Zeugin in einer Angelegenheit, bei der es um Leben oder Tod geht. Wo könnte sie sein?“
    Kobieta Bilawa sah ihn so eindringlich an, als versuche sie, seine Worte zu verstehen. Sie ließ davon auch nicht ab, während Anuschka übersetzte.
    „Vielleicht im Haus ihres Großvaters väterlicherseits, das ist – einen Moment bitte ...“ Sie durchquerte die Stube und stöberte in der Schublade ihres böhmischen Sekretärs, holte eine

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