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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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Blödsinn zu haben sind, die Hörsäle stürmten. Und wer beispielsweise den Kampf der Algerier gegen die französische Kolonialherrschaft unterstützen wollte, hätte sich eine intelligentere Methode einfallen lassen sollen, als in Frankfurt im Kettenhofweg und anderswo in der Stadt Häuser zu besetzen und in der Bockenheimer Landstraße Scheiben einzuschmeißen.“
    „Richtig!“, meldete Hannelore Voß an, „das ganze Tamtam, der Aufstand plus seiner Wirkung bis heute, mit Altachtundsechzigern an allen Schaltstellen, ist der Stein, der uns erdrückt. Höbe ihn wer auf, läge das Böse nackt und bloß vor unseren Augen: Das Propagieren der Gewalt durch die Achtundsechziger-Philosophen, vereint mit der Aufforderung linker Literaten zur Anarchie, kann niemals zu einem guten Ende führen. Ganz abgesehen von dem Unrecht gegen die Elterngeneration …“
    „Ach ja?“, höhnte Ingeborg, „hatten sie etwa keinen Grund zur Wut auf diese Elterngeneration, die die ganze Welt in den Krieg gestürzt und damit die Kindergeneration mit diesem Makel behaftet hat?“
    „Langsam, langsam, Verehrteste“, mischte Peter Straubing sich ein, der als Geschichtslehrer in Wiesbaden allerdings mit seiner Meinung und seinem Wissen fleißig hinterm Berg gehalten hatte, „Deutschland, das im Grunde genommen aufgrund des sogenannten VersaillerVertrages allen Grund gehabt hätte, einigen Staaten den Kampf anzusagen – auch dem Nachbarland Polen mit seinen auch heute noch gängigen Hasstiraden – hat niemanden, und schon gar nicht die ganze Welt in den Krieg gestürzt. Ganz im Gegenteil war es so, dass England Deutschland den Krieg erklärt hat und ebenfalls Frankreich den Deutschen den Krieg erklärt hat, später selbst Amerika …“
    „Moment mal“, rief Ingo Preis, „was heißt hier: selbst Amerika, das hört sich geradezu an, als ob Amerika zunächst eher noch verhalten dazu gestanden hätte – da möchte ich den amerikanischen Botschafter in London zitieren, der 1945 bekannte: ‚Weder die Franzosen noch die Briten hätten aus der deutsch-polnischen Frage einen Kriegsgrund konstruiert, wenn nicht Washington dauernd gebohrt hätte‘ …“
    „Ah, so war das“, fuhr Straubing fort, „jedenfalls haben uns einige Länder vor Kriegsende trittbrettfahrend auch noch schnell den Krieg erklärt, um sich rechtzeitig in die Reihe der Sieger einordnen zu können. So war das mit der ganzen Welt, von der die Legende erzählt, Deutschland habe sie in den Krieg gestürzt.“
    „Und der Überfall auf Russland?“, kreischte die Wengler jetzt, vor Wut zitternd.
    „Dazu kann ich nur sagen, dass die Sowjetunion bereits nach dem Ersten Weltkrieg beschlossen hatte, den Zweiten zu entfachen. Der sogenannte Überfall war unumgänglich, ein Präventivschlag, er war Rettung vor dem Einmarsch der Roten Armee, die sich soeben an der russischen Westgrenze zum Angriff formierte. In wenigen Tagen wäre Deutschland, in wenigen Wochen ganz Europa überrannt und bolschewisiert worden.“
    „Richtig!“, rief Nicole, „und den Einmarsch in Polen haben die Alliierten geschickt initiiert. Amerikaner, Briten, Franzosen … Dabei hätte es gerade den Franzosen als Hauptverursacher des deutsch-polnischen Streites um Danzig wohl angestanden, Deutschland in seinen Bemühungen um eine friedliche Lösung dieses Problems zu unterstützen. Stattdessen drohte der französische Außenminister der deutschen Regierung mit Krieg, falls sie auch nur versuche, den Status quo von Danzig zu verändern. Sie dachten keinen Augenblick an Frieden.“
    „Ja“, pflichtete Straubing ihr bei, „und die Amerikaner haben vereint mit den Briten und Franzosen die polnische Regierung unter Druck gesetzt und veranlasst, von ihrer Bereitschaft zu einer friedlichen Lösung des Danzig-Korridor-Problems abzuweichen und den akzeptablen und von großzügigen Zugeständnissen untermauerten Vorschlägen der deutschen Regierung eine strikte Absage zu erteilen. Sie wussten genau, dass die deutsche Regierung im Hinblick auf die Gräuel an den Deutschen jenseits der Grenze die Danziger Bevölkerung nicht im Stich lassen konnte, ihr den Zugang zum Reich ermöglichen musste. Also forcierten die Alliierten den Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen und schufen somit den erwünschten Vorwand, Deutschland den Krieg zu erklären.“
    „Wieso eigentlich?“, erkundigte sich Hertha Gisberg, „warum hassten sie unser Land so sehr – das sie achtzehn schon reichlich geschunden hatten?“
    „Ihr

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