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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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»Ich wollte das Risiko nicht eingehen, solange noch Truppen in der Gegend waren. Es wäre zu auffällig gewesen. Also sind wir nach Norden gegangen. Den Bienenstock hier haben wir zufällig entdeckt.« Sie zeigt mit dem Kinn auf das weitläufige Parkhaus. Es sieht wirklich aus wie ein riesiger Bienenstock, jetzt, da Gestalten im Halbschatten von den verschiedenen Parkdecks auf uns herunterschauen, durch Lichtflecken huschen und dann wieder in der Dunkelheit verschwinden. »Hab gedacht, es wäre ein guter Platz, um sich eine Weile zu verstecken und abzuwarten, bis sich die Lage ein wenig beruhigt hat.«
    »Wie viele seid ihr?«, fragt Tack. Dutzende und aberdutzende Leute sind inzwischen heruntergekommen und stehen zusammengedrängt ein Stück hinter Pippa, wie eine Hundemeute, die durch Schläge und Hunger gefügig gemacht wurde. Ihr Schweigen ist beunruhigend.
    »Über dreihundert«, sagt Pippa. »Fast vierhundert.«
    Eine riesige Zahl – aber trotzdem nur ein Bruchteil der Leute, die vor Waterbury kampiert haben. Einen Moment erfüllt mich blinde, glühende Wut. Wir wollten die Freiheit, zu lieben und stattdessen hat man uns zu Kämpfern, zu Tieren gemacht. Julian rückt näher und legt mir den Arm um die Schultern, damit ich mich an ihn lehnen kann. Als könnte er spüren, was ich denke.
    »Wir haben keine Truppen mehr gesehen«, sagt Raven. »Ich schätze, dass sie aus New York hochgekommen sind. Wenn sie Panzer hatten, müssen sie eine der Zufahrtsstraßen entlang des Hudson benutzt haben. Hoffentlich sind sie wieder nach Süden zurück.«
    »Mission erfüllt«, sagt Pippa bitter.
    »Sie haben gar nichts erfüllt.« Meine Mutter meldet sich erneut zu Wort, aber jetzt klingt ihre Stimme sanfter. »Der Kampf ist nicht vorbei – er fängt gerade erst an.«
    »Wir sind auf dem Weg nach Portland«, sagt Max. »Dort haben wir Freunde – viele Freunde. Das zahlen wir ihnen heim«, fügt er mit plötzlicher Heftigkeit hinzu. »Auge um Auge.«
    »Und dann ist die ganze Welt blind«, sagt Coral leise.
    Alle drehen sich zu ihr um. Seit Alex weg ist, hat sie kaum etwas gesagt, und ich habe versucht ihr aus dem Weg zu gehen. Ich spüre ihren Schmerz wie eine körperliche Anwesenheit, eine dunkle, saugende Energie, die sie verzehrt und umgibt, und ich verspüre ihr gegenüber sowohl Mitleid als auch Groll. Sie erinnert mich daran, dass nicht ich diejenige bin, die ihn jetzt verloren hat.
    »Was hast du gesagt?«, fragt Max mit kaum verhohlener Aggressivität.
    Coral wendet den Blick ab. »Nichts«, sagt sie. »Nur etwas, das ich mal gehört habe.«
    »Wir haben keine Wahl«, beharrt meine Mutter. »Wenn wir nicht kämpfen, werden wir vernichtet. Es geht nicht um Rache.« Sie wirft Max einen Blick zu. Der grunzt und verschränkt die Arme. »Es geht ums Überleben.«
    Pippa streicht sich mit einer Hand über den Kopf. »Meine Leute sind geschwächt«, sagt sie schließlich. »Wir hatten kaum etwas zu essen – hauptsächlich Ratten und was wir so im Wald auftreiben konnten.«
    »Oben im Norden gibt es Nahrung«, sagt Max. »Vorräte. Wie gesagt, die Widerstandsbewegung hat Freunde in Portland.«
    »Ich weiß nicht, ob sie es schaffen werden«, sagt Pippa mit gesenkter Stimme.
    »Na ja, hier könnt ihr auf jeden Fall auch nicht bleiben«, wendet Tack ein.
    Pippa beißt sich auf die Lippe und wechselt einen Blick mit Beast. Er nickt.
    »Er hat Recht, Pip«, sagt Beast.
    Hinter Pippa meldet sich plötzlich eine Frau zu Wort. Sie ist so dünn, dass sie aussieht, als wäre sie aus altem Holz geschnitzt.
    »Wir gehen mit.« Ihre Stimme ist überraschend tief und kräftig. Ihre Augen, die tief in ihrem eingesunkenen, verfallenen Gesicht liegen, glühen wie zwei schwelende Kohlen. »Wir kämpfen.«
    Pippa atmet langsam aus. Dann nickt sie.
    »Also gut«, sagt sie. »Dann auf nach Portland.«
    Als wir uns Portland nähern, als das Licht und die Landschaft immer vertrauter werden – üppige Pflanzen und Gerüche, die ich aus meiner Kindheit kenne, aus meinen entferntesten, ältesten Erinnerungen –, beginne ich Pläne zu machen.
    Neun Tage, nachdem wir das Versteck verlassen haben, und nachdem unsere Anzahl inzwischen enorm angewachsen ist, erblicken wir einen der Grenzzäune Portlands. Nur, dass es kein Zaun mehr ist. Es ist eine riesige Betonmauer, eine gesichtslose Steinplatte, die von der Morgendämmerung in ein gespenstisches Rosa getaucht wird.
    Ich bin so erschrocken, dass ich wie angewurzelt stehen bleibe. »Was zum

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