Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)
fragt Dani in das Schweigen.
»Scheiße«, murmelt Tack. Dann sagt er noch mal: »Scheiße.«
Niemand sagt etwas. Ich schaudere. Julian legt den Arm um mich und ich lehne mich an ihn.
Raven sagt leise. »Wir können ein kleines Feuer entzünden. Wenn er sich verirrt hat, hilft ihm das, den Weg hierher zu finden.«
Das ist ihr Geschenk an uns. Sie weiß eigentlich – genau wie wir alle es in diesem Moment in unserem tiefsten Innern wissen –, dass Pike tot ist.
hana
Gott, vergib mir, denn ich habe gesündigt. Reinige mich von diesen Leidenschaften, denn die Kranken werden sich mit den Hunden im Dreck wälzen und nur die Reinen werden in den Himmel auffahren.
Angeblich verändern sich Menschen nicht. Das ist das Gute an den zugeteilten Partnerschaften – Menschen können zusammengebracht werden, ihre Interessen überschneiden sich und die Unterschiede zwischen ihnen sind auf ein Mindestmaß beschränkt.
Das ist das Versprechen des Heilmittels.
Aber das ist gelogen.
Fred ist nicht Fred – zumindest ist er nicht der Fred, für den ich ihn gehalten habe. Und ich bin nicht die Hana, die ich hätte sein sollen; ich bin nicht die Hana, die ich angeblich nach dem Eingriff werden sollte.
Diese Erkenntnis bringt eine geradezu körperliche Enttäuschung mit sich. Und gleichzeitig ein Gefühl der Erleichterung.
Am Morgen nach Freds Amtseinführung stehe ich auf und dusche, fühle mich munter und gut erholt. Ich bin mir der Helligkeit der Lampen, des Piepens der Kaffeemaschine von unten und des Rrumm-rrumm-rrumm der Wäsche im Trockner überdeutlich bewusst. Strom, Strom, Strom, überall um uns herum. Wir pulsieren in seinem Rhythmus.
Mr Roth ist mal wieder da, um Nachrichten zu gucken. Wenn er sich benimmt, gibt ihm der Energiedezernent vielleicht seinen Saft zurück und dann muss ich ihn nicht jeden Morgen sehen. Ich könnte mal mit Fred darüber sprechen.
Der Gedanke bringt mich zum Lachen.
»Morgen, Hana«, sagt er, den Blick weiter auf den Fernseher gerichtet.
»Guten Morgen, Mr Roth«, erwidere ich fröhlich und gehe an ihm vorbei in die Vorratskammer. Ich lasse den Blick über die gut gefüllten Fächer schweifen, fahre mit den Fingern über die Schachteln mit Cornflakes und Reis, die identischen Gläser Erdnussbutter, ein halbes Dutzend Marmeladen.
Ich muss natürlich darauf achten, jedes Mal nur ein bisschen zu klauen.
Ich mache mich direkt auf den Weg zur Wynnewood Road, wo ich Grace mit der Puppe spielen gesehen habe. Wieder lasse ich mein Fahrrad bald stehen und gehe den größten Teil des Weges zu Fuß, wobei ich darauf bedacht bin, in der Nähe der Bäume zu bleiben. Ich lausche auf Stimmen. Auf gar keinen Fall will ich wieder von Willow Marks überrascht werden.
Mein Rucksack schneidet mir schmerzhaft in die Schultern und unter den Riemen ist meine Haut rutschig vom Schweiß. Er ist schwer. Ich höre bei jeder Bewegung Flüssigkeiten darin herumschwappen und hoffe bloß, dass der Deckel der alten Milchflasche – die ich mit so viel Benzin aus der Garage gefüllt habe, wie ich verantworten konnte, ohne dass der Diebstahl auffällt – fest zugeschraubt ist.
Es riecht wieder schwach nach Holzfeuer. Ich überlege, wie viele der Häuser wohl besetzt sind und welche Familien noch gezwungen waren, hierher zu ziehen, wo sie gerade so über die Runden kommen. Ich weiß nicht, wie sie die Winter überstehen. Kein Wunder, dass Jenny, Willow und Grace so blass und ausgemergelt aussehen – das Wunder ist vielmehr, dass sie überhaupt noch am Leben sind.
Ich muss daran denken, was Fred gesagt hat: Sie werden feststellen, dass einen die Freiheit nicht warm hält.
Das heißt, dass Ungehorsam sie langsam umbringen wird.
Wenn ich das Haus der Tiddles finde, kann ich ihnen das Essen, das ich geklaut habe, und die Flasche Benzin dalassen. Es ist nicht viel, aber besser als nichts.
Sobald ich auf die Wynnewood Road einbiege – die nur zwei Straßen von der Brooks Street entfernt liegt –, sehe ich Grace wieder auf der Straße. Diesmal hockt sie auf dem Bürgersteig direkt vor einem verwitterten grauen Haus und wirft Steine ins Gras, als versuchte sie, sie übers Wasser zu schnippsen.
Ich hole tief Luft und trete zwischen den Bäumen hervor. Grace spannt sich augenblicklich an.
»Bitte lauf nicht weg«, sage ich sanft, weil sie aussieht, als würde sie jeden Moment davonrennen. Ich mache einen vorsichtigen Schritt auf sie zu und sie rappelt sich auf, daher bleibe ich stehen. Den Blick auf Grace
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