Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
Vom Netzwerk:
und so.« Ich halte kurz inne und hole tief Luft. »Also, können Sie mir helfen?«
    Sie blinzelt. Ihre Augen sind von der Farbe schmutzigen Badewassers. »Wie bitte?«
    »Können Sie mir helfen, Cassie zu finden?«, frage ich und balle die Fäuste, in der Hoffnung, dass sie es nicht merkt. Bitte sag Ja. »Cassandra O’Donnell.«
    Ich beobachte Tanya aufmerksam, aber sie scheint den Namen nicht zu erkennen. Sie stößt einen übertriebenen Seufzer aus, stemmt sich von ihrem Stuhl hoch und geht zu einem Stapel Formulare hinüber. Sie kommt zu mir zurückgewatschelt und knallt eins davon auf den Schreibtisch. Es ist so dick wie eine ärztliche Aufnahmeakte – mindestens zwanzig Seiten. »Personenanfragen können an ZOFE , Abteilung Meldebehörde, geschickt werden, und werden innerhalb von neunzig Tagen bearbeitet …«
    »Neunzig Tage!«, unterbreche ich sie. »Meine Hochzeit ist in zwei Wochen.«
    Sie kneift die Lippen zusammen. Ihr ganzes Gesicht hat die Farbe schmutzigen Wassers. Vielleicht kommt es davon, dass sie Tag für Tag hier unter den matten, summenden Lampen zubringt. Sie sagt unbeirrt: »Dem ausgefüllten Formular zur Personenanfrage muss eine persönliche Erklärung beigefügt werden …«
    »Hören Sie.« Ich presse meine Finger flach auf den Schreibtisch und drücke meine Frustration durch meine Handflächen nach unten. »Um ehrlich zu sein, ist Cassandra eine fiese Schlange. Ich kann sie kein bisschen leiden.«
    Tanya wird etwas munterer.
    Die Lügen gehen mir flüssig von den Lippen. »Sie hat immer gesagt, ich würde die Evaluierung verhauen, verstehen Sie? Und als sie acht Punkte hatte, hat sie mir das tagelang unter die Nase gerieben. Aber soll ich Ihnen was sagen? Ich habe eine noch höhere Punktzahl erreicht und mein Partner ist besser als ihrer und meine Hochzeit wird auch besser.« Ich beuge mich etwas weiter vor und senke meine Stimme zu einem Flüstern. »Ich will, dass sie dabei ist. Ich will, dass sie es sieht.«
    Tanya mustert mich eine Weile genau. Dann verzieht sich ihr Mund langsam zu einem Lächeln. »So eine kannte ich auch mal«, sagt sie. »Man könnte glauben, Gottes Garten wäre unter ihren Füßen gewachsen.« Sie wendet sich wieder dem Computerbildschirm zu. »Wie, sagten Sie, war noch mal ihr Name?«
    »Cassandra. Cassandra O’Donnell.«
    Tanyas Nägel klappern übertrieben laut auf der Tastatur. Dann schüttelt sie den Kopf und runzelt die Stirn. »Tut mir leid. Hier ist niemand mit diesem Namen aufgeführt.«
    Mein Magen macht einen eigenartigen Satz. »Sind Sie sicher? Ich meine, haben Sie’s richtig geschrieben und alles?«
    Sie dreht den Computerbildschirm zu mir. »Ich habe hier über vierhundert O’Donnells. Aber keine Cassandra.«
    »Und was ist mit Cassie?« Ich versuche ein ungutes Gefühl zu unterdrücken – ein Gefühl, das ich nicht benennen kann. Unmöglich. Selbst, wenn sie tot wäre, müsste sie im System auftauchen. ZOFE verfügt über die Daten von allen Lebenden und Toten der letzten sechzig Jahre.
    Sie dreht den Bildschirm zurück und klack-klack-klackert erneut, dann schüttelt sie den Kopf. »Nee. Tut mir leid. Vielleicht schreibt sie sich anders?«
    »Vielleicht.« Ich versuche zu lächeln, aber mein Mund gehorcht mir nicht. Das ergibt keinen Sinn. Wie kann jemand einfach verschwinden? Mir kommt ein Gedanke: Vielleicht ist ihre Identität ungültig gemacht worden. Das wäre die einzige Erklärung. Vielleicht hat das Heilmittel bei ihr nicht gewirkt, vielleicht hat sie sich mit der Deliria angesteckt, vielleicht ist sie in die Wildnis geflohen.
    Das würde passen. Das würde auch erklären, weshalb sich Fred von ihr hat scheiden lassen.
    »… zu einem guten Ende.«
    Ich blinzele. Tanya hat etwas gesagt. Sie sieht mich geduldig an und wartet offensichtlich auf eine Antwort. »Tut mir leid – was haben Sie gesagt?«
    »Ich habe gesagt, dass ich mir an Ihrer Stelle keine Sorgen machen würde. Solche Sachen kommen immer zu einem guten Ende. Irgendwie kriegt doch jeder das, was er verdient.« Sie lacht laut auf. »Gottes Getriebe läuft erst, wenn alle Teile an ihrem Platz sind. Wissen Sie, was ich meine? Sie haben Ihren Platz gefunden und Ihre Freundin wird ihren auch finden.«
    »Danke«, sage ich. Ich kann sie erneut lachen hören, als ich durch die Drehtür gehe; das Geräusch folgt mir hinaus auf die Straße und hallt immer noch leise in meinem Kopf nach, als ich schon mehrere Häuserblocks entfernt bin.

lena
    D
er Himmel verdunkelt sich

Weitere Kostenlose Bücher