Requiem für eine Sängerin
wenigstens ersparte, dass seine schlimmsten Albträume Wirklichkeit wurden, nämlich dass er entscheiden musste, ob er eine schwer verletzte Person umdrehen und dabei das Risiko eingehen sollte, ihren Zustand noch zu verschlimmern, oder nicht. Sie sah übel aus. Das rechte Bein stand in einem unnatürlichen Winkel vom Körper ab; ein blutender offener Bruch über dem Knie. Glücklicherweise war der Knochen nach vorne gedrückt worden und hatte die Oberschenkelarterie verfehlt. Mehrere Fahrer hielten an, und zwei wies er an, den Verkehr zu regeln. In der Ferne meinte er die ersten schwachen Laute der Sirenen zu hören.
Blut floss langsam in die Pfütze unter ihrer Brust und dem Bauch. Er wagte nicht, sie zu bewegen, um die Blutung zu stillen, weil er fürchtete, er könnte ihr noch mehr innere Verletzungen zufügen. Das Wasser machte es sowieso unmöglich zu sagen, wie stark sie blutete. Am schlimmsten sah ihr Kopf aus; die rechte Hälfte des Gesichts war eingedrückt, Blut floss aus ihrem Ohr, ihr Scheitel war eine blutige Masse. Er zog den Regenmantel aus und breitete ihn behutsam über sie. Er hatte getan, was er konnte.
30
Fenwick ging in seinem kleinen Büro auf und ab wie ein eingesperrtes Tier. Die Neuigkeiten aus dem Krankenhaus waren niederschmetternd. Leslie Smith war auf der Intensivstation an sämtliche Maschinen angeschlossen, ihre Überlebenschancen standen schlecht. Sollte sie es schaffen – und die Ärzte weigerten sich, irgendwelche diesbezüglichen Hoffnungen zu wecken –, war zu bezweifeln, dass sie sich je wieder vollkommen erholen würde. Ihr Schädel war an zwei Stellen gebrochen, bleibende Hirnschäden waren wahrscheinlich; das Becken war gebrochen, das rechte Bein zertrümmert; angesichts ihres schlechten Gesamtzustandes hatten die Chirurgen noch nicht einmal daran gedacht, es zu richten. Das einzig Gute war, dass sie vergleichsweise wenige innere Verletzungen davongetragen hatte.
In seiner Frustration hatte er heute Vormittag das Krankenhaus aufgesucht, während das Team eine ausgedehnte Fahndung nach dem Auto einleitete. Ein Blick hatte ihm gezeigt, dass Leslie ihnen nicht helfen konnte. Ihr Mann richtete seine ganze Wut gegen die Polizei, stimmte aber schließlich einer Durchsuchung ihres Hauses zu, obwohl er nicht verstehen konnte, wieso es sich bei dem Geschehenen um etwas anderes als einen zufälligen Unfall mit Fahrerflucht handeln sollte. Bis jetzt hatte das Durchsuchungsteam nichts gefunden.
Die Gruppe, die an dem Fall arbeitete, war unverzüglich auf fünfunddreißig Mitglieder aufgestockt worden. Constable Adams’ Augenzeugenbericht erhärtete die Hypothese, dass der Unfall absichtlich herbeigeführt worden war. Da er die Beschreibung des Autos sofort durchgegeben hatte, konnten sie das abgestellte Fahrzeug zwanzig Minuten nach dem Unfall finden. Ein offensichtlich überhasteter Versuch, den Wagen in Brand zu stecken, war durch den Regen vereitelt worden; es waren genügend Spuren erhalten geblieben, die im Labor untersucht werden konnten. Die minutiöse Untersuchung würde Tage dauern.
Der Besitzer des Autos war ausfindig gemacht worden. Es war irgendwann am vergangenen Abend aus einem zwanzig Meilen entfernten Parkhaus gestohlen worden. Es gab jede Menge Fingerabdrücke, und der Besitzer und seine Freunde waren hilfsbereit, aber Fenwick bezweifelte, dass sich die Abdrücke des Täters finden würden. Bis jetzt hatte sich ein Zeuge gemeldet, der behauptete, er hätte jemanden aus dem abgestellten Fahrzeug aussteigen und in einen nahe gelegenen Park laufen sehen. Aber der Regen hatte die Sicht beeinträchtigt, daher konnte er nicht einmal sagen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau gehandelt hatte.
Tiefe Abdrücke von Schuhen waren auf dem durchnässten Cricketfeld entdeckt worden, und der Platzwart war sicher, dass sie am vorherigen Nachmittag noch nicht da gewesen waren. Die Abdrücke wurden mit denen von der Schule verglichen, wo Katherine Johnstone ermordet worden war, ebenso mit denen aus ihrem Garten. Die Länge der Schritte deutete auf eine große Person hin, die gerannt war. Vom Tor des Parks und dem Zaun konnten sie keine Fingerabdrücke nehmen. Fenwick behandelte den Fall als versuchten Mord und postierte rund um die Uhr eine Wache vor dem Krankenzimmer. Die Angelegenheit war höchst peinlich und würde ihren Ermittlungen mit Sicherheit schaden. Fenwick hatte eine Stunde beim Superintendent gesessen und einen vollständigen Bericht für den Assistant Chief
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