Requiem für eine Sängerin
abfälligen Bemerkungen. Religion schied aus – sie merkten schnell, dass sie uns damit nicht provozieren konnten –, aber Frauen blieb ziemlich aktuell. Keiner von uns hat etwas gegen einen Witz, aber sie gingen viel weiter. Es gefiel ihnen nicht, dass wir überhaupt da waren, und sie wurden stinksauer, weil wir nicht auf sie eingingen.
Vic nahm sie gar nicht zur Kenntnis. Er war immer noch sehr verschlossen und hing selten in der Bar herum. Aber einen Abend hatten wir frei und gingen ins Pub. Vic setzte sich zu uns, und die beiden Idioten waren auch da, und zwar in Hochform. Sie ließen einfach nicht locker. Ein paar ihrer Kumpels feuerten sie an, und irgendwann geriet die Sache außer Kontrolle.
In der Gegend war es zu einer Vergewaltigung gekommen – zwei siebzehnjährige Mädchen auf dem Weg nach Hause, ohne Begleitung. Unsere beiden Komiker machten dumme Bemerkungen über die Mädchen, dass sie es herausgefordert hätten; und es kam noch schlimmer. Ihre Kameraden versuchten, sie zu beruhigen, aber da waren sie schon jenseits von Gut und Böse. Wir wollten gehen, aber sie packten mich am Arm. Ich wollte die Situation entschärfen, aber sie gingen nicht darauf ein. Sie hackten immerzu auf diesen beiden Mädchen herum und fragten schließlich, ob wir Schwestern, Freundinnen oder Frauen hätten und ob sie sich in unserer Abwesenheit vergnügten. Es war pubertäres Geschwätz, albern und kindisch, aber ich bekam mit, wie ein Kamerad neben mir immer wütender wurde. Später erfuhr ich, dass seine Tante vergewaltigt worden und praktisch daran zerbrochen war. Wie auch immer, er setzt sich in Bewegung und ich halte ihn am Arm fest, konzentriere mich ganz auf ihn. Als Nächstes sagt einer der beiden etwas, der Fiesere, und liegt auf dem Boden. Er fiel einfach um, schlug mit dem Kopf gegen die Tischkante und rührte sich nicht mehr. Ich sehe mich um, und da steht Vic hinter mir und reibt sich die rechte Hand. Alle starren ihn an. Der Mann auf dem Boden bewegt sich nicht. Blut fließt ihm aus der Nase; man sieht, dass sie gebrochen ist. Dann sehe ich, dass seine Augen offen sind und er zur Decke starrt. Ich bücke mich und taste nach seiner Halsschlagader – kein Puls. Seine Augen sind verdreht, sodass man nur die halben Pupillen sehen kann – keine Reaktion. Ich halte ihm ein Glas vor Mund und Nase – es beschlägt nicht.
Wir haben Beatmung und Herzmassage gemacht, bis die Notärzte eintrafen. Mir kam es vor wie eine verdammte Ewigkeit, aber es dauerte nur zehn Minuten. Als sie ihn wegbrachten, fiel mir auf, dass Vic nicht mehr da war; offenbar war die Militärpolizei eingetroffen, während wir versucht hatten, den Mann wieder zu beleben. Ich habe den Schlag nicht gesehen, der den Mann getötet hat. Er war übrigens auf der Stelle tot.» Bayliss holte abermals tief Luft. «Mir ist das verdammt nahe gegangen. Er war auf unserer Seite, verstehen Sie, ein Arschloch und ein grober Klotz, aber einer von uns.»
«Und natürlich hätten ein paar Tage zuvor Sie derjenige sein können.»
Bayliss sah Fenwick skeptisch an, entdeckte aber keinerlei Sarkasmus.
«Genau. Die Militärpolizei hat mich verhört, aber sie waren in einer schwierigen Lage – sie wollten eine Anklage zusammenbekommen – gegen einen Mann, der für höhere Ziele auserkoren war. Vic wurde in Gewahrsam genommen, aber dann änderten sie ihre Meinung, und er kam bis zur Verhandlung auf freien Fuß, unter der Vorgabe, den Stützpunkt nicht zu verlassen. Niemand wollte eine falsche Anklage zusammenschustern. Sie waren immer noch mit dem Fall befasst, als er ein paar Tage später verschwand.»
Bayliss verstummte, hob ruckartig den Kopf und lief lautlos zur Vorderseite des Gebäudes, die Waffe in der Hand. Neben dem breiten Tor drückte er sich mit dem Rücken an die Wand. Sekunden später spähte Cooper herein. Bayliss nahm ihn in den Schwitzkasten, hielt ihm die Waffe an die Schläfe und drückte seinen Kopf gegen die Wand, ehe Fenwick auch nur ein Wort herausbekam.
«Das ist mein Sergeant. Lassen Sie ihn los, Bayliss.» Cooper drehte sich um und strich die zerknautschte Tweedjacke glatt; ein Ellbogen war zerrissen, weil er an einem Nagel hängen geblieben war. Mürrisch untersuchte Cooper den Riss. Er sah keinen Tag jünger aus, als er war.
«Ich wollte nur nachsehen, ob alles in Ordnung ist, Sir.» Unter den Umständen wirkte sein ernster Versuch, Haltung zu bewahren, einfach lächerlich, aber Fenwick verzog keine Miene.
«Gut so, Sergeant. Ich
Weitere Kostenlose Bücher