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Requiem für eine Sängerin

Requiem für eine Sängerin

Titel: Requiem für eine Sängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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Octavia Anderson spekulierte ein paar Minuten über den Verbleib des Schreibens, maß seinem Verschwinden aber keine Bedeutung bei. Sie lieferte Fenwick keinerlei Hinweis darauf, warum der Brief fehlte. Immerhin hatte sie ihm Handschrift- und Papiermuster bedenkenlos zur Verfügung gestellt, und als Fenwick die Papiere behutsam in dünne Plastikbeutel schob, lächelte sie.
    «Noch zwei Dinge, bevor ich Sie in Frieden lasse, Miss Anderson. Sie mögen Ihnen merkwürdig vorkommen, aber wir müssen einfach alles berücksichtigen. Zuerst Ihre Handschrift – wird sie irgendwie in der Öffentlichkeitsarbeit genutzt? Könnte jemand den Umschlag gesehen und gewusst haben, dass er von Ihnen stammt?»
    «Kaum. Ich schreibe selten Briefe, und wenn, dann nur an gute Freunde. Meine Unterschrift steht auf Programmen und dergleichen, aber meine Handschrift nicht.»
    «Sie ist sehr eigenwillig.»
    «Ich hatte eine Furcht einflößende Lehrerin für Lesen und Schreiben. Ob Sie es glauben oder nicht, ich hatte diese Schrift im Alter von zehn Jahren entwickelt – und genügend blaue Flecken, um es zu beweisen! So was wird man nicht mehr los, selbst an der Uni nicht.»
    «Das bringt mich zur zweiten Frage, die Ihnen vielleicht seltsam erscheint: Ist während Ihrer gemeinsamen Schulzeit irgendetwas vorgefallen? Etwas, das – und sei es nur entfernt – etwas mit dem Tod von Katherine Johnstone zu tun haben könnte?»
    Der herzliche Ausdruck verschwand von ihrem Gesicht. Kalte graue Augen sahen, ohne zu blinzeln, direkt in seine.
    «Sie haben Recht, das ist eine seltsame Frage. Mir fällt überhaupt nichts Außergewöhnliches ein. Wir waren langweilig und angepasst – wegen der Gesangsausbildung haben wir nicht einmal heimlich geraucht. Wenn Sie keine Fragen mehr haben, Chief Inspector – ich habe in Kürze einen Termin.»
    Er wurde höflich hinausgeworfen.
    Erst als er raschen Schrittes zur Victoria Station ging, kam ihm eine neue Erklärung für den fehlenden Brief in den Sinn. Angenommen, es war ein Treffen vereinbart worden und Katherine Johnstone war gestorben, während sie auf dieses Treffen wartete. Das würde erklären, weshalb der Brief nicht aufzutreiben war. Es würde Octavia Anderson zu einer Hauptverdächtigen machen, und er hatte sie nicht gefragt, wo sie am Donnerstagabend gewesen war. Auch das war ein Punkt, den Cooper überprüfen musste.

20
    Der Montag dämmerte grau und regnerisch, und ein Sommergewitter brachte das für die Jahreszeit ungewöhnlich schlechte Wetter zurück. Überall in Harlden plärrten Kinder über Frühstücksflocken, sahen Mütter verdrossen einem weiteren Tag mit klammer Kleidung entgegen, packten Polizisten in Erwartung all dessen, was der Tag ihnen bringen mochte, Regenmäntel ein. Der Mord an Katherine Johnstone war nach wie vor der wichtigste Fall. Nach den Appellen an die Bevölkerung im lokalen Rundfunk waren einige Hinweise eingegangen, aber die bestätigten mehr oder weniger nur, dass ein Radfahrer mit gelber Kapuze in Harlden gesehen worden und in dem kleinen Parkhaus der Stadt verschwunden war. Niemand hatte ihn wegfahren sehen, kein Fahrrad war gefunden worden. Die Polizei ging von einem Auto und einem Klapprad aus. Hier und da hieß es, die Spuren würden schon kalt, was blieb, war die Forensik. Berichte über den Umschlag, den Tatort und Antworten auf einige von Fenwicks Detailfragen wurden für heute erwartet.
    Am Sonntagabend hatte Cooper zu seinem Erstaunen einen Anruf von Fenwick bekommen; der Chef hatte ihm mitgeteilt, dass er die jüngsten Berichte lesen und die erforderlichen Schritte einleiten solle, da Fenwick selbst den Vormittag über unterwegs sein würde. Das erinnerte an die Zeit, als Fenwicks Frau krank gewesen war, und als Cooper nach einer unruhigen Nacht mit verklebten Augen erwachte, betrachtete er die dichten, windgepeitschten Regenschauer sofort als Metapher für das Scheitern der Ermittlungen.
    Fenwick erwachte nicht am Morgen; er hatte die ganze Nacht wach gelegen. Was seinen Beruf anging, gab es keine Entschuldigung dafür, dass er heute mit seinem Sohn zum Arzt gehen wollte. Er wusste, der Fall war gefährdet; die Berichte, die in einer Stunde erwartet wurden, boten die letzte echte Chance, einen Hinweis aufzuspüren. Und jede Minute zählte. Es hatte keinerlei Durchbrüche gegeben. Sie leisteten Routinearbeit in der Hoffnung, dass etwas ans Licht kommen würde. Die Suche nach Fahrrad und Mordwaffe schloss Bäche und Flüsse mit ein; sie studierten sogar

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