Requiem für eine Sängerin
der Brust seiner Frau, die sich langsam hob und senkte und nicht mehr nackt war, da er sie nach einem verzweifelten Spurt ins Schlafzimmer mit seinem Morgenmantel bedeckt hatte. Sie war so kalt gewesen.
«Sehr gut. Das hast du gut gemacht. Und jetzt geh und warte unten mit deinem Bruder.»
«Er ist nicht da, Daddy.»
«Was …?»
Fenwick schaute resigniert auf – direkt in die Augen seines vierjährigen Sohnes. Das Kind kauerte reglos auf der breiten Stufe unmittelbar unter ihm und sah ihm starr in die Augen. Fenwick bemühte sich um Gelassenheit und einen normalen Ton.
«Hier zieht es, Christopher. Geh nach unten und warte mit deiner Schwester. Sei brav.»
«Nein, ich will bei Mummy bleiben!» Die Antwort war ein hallender, wütender Schrei, bei dem auch Bess herbeigelaufen kam.
«Ich bleibe bei ihm, Daddy, keine Sorge. Wenn ich hier bin, passiert ihm nichts.»
In den folgenden Tagen und Wochen klammerte sich Christopher wie besessen an seine Schwester, während seine Mutter von der Leben erhaltenden Maschine auf der Intensivstation in eine geschlossene Anstalt verlegt wurde. Damals war Fenwick froh darüber. Es kostete ihn alle Anstrengung, sich zusammenzunehmen und Entscheidungen über das Schicksal seiner Frau zu treffen; da war es gut, sich nicht auch noch um die Kinder kümmern zu müssen. Seine Mutter war zu ihm gezogen, und er achtete darauf, dass er jeden Abend ein bisschen Zeit mit ihnen verbrachte, aber es war Bess, die zum Kuscheln kam, während Christopher die ganze Zeit neben ihr saß und ihr Nachthemd streichelte.
Es wurde deutlich, dass seine Frau sich nie wieder erholen würde – genau genommen nie wieder; die Ärzte verweigerten ihm die Erleichterung dieser Gewissheit. Stattdessen gebrauchten sie Ausdrücke wie «höchst unwahrscheinlich». Sie hatte Gehirnschäden davongetragen, aber in welchem Ausmaß, konnten sie nicht sagen. Monique reagierte auf nichts. Es war, als hätte sie sich vollkommen hinter eine Wand zurückgezogen, aber es war unmöglich zu sagen, ob aus Willenlosigkeit oder eigenem Antrieb. Wie auch immer, sie selbst unternahm keinen Versuch, wieder herauszukommen.
Schließlich wurde sie in eine fünfzig Meilen entfernte Pflegeanstalt verlegt. Zuerst besuchte Fenwick sie jeden Tag, als das Wetter im tiefsten Winter schlechter wurde, noch einmal pro Woche. Er versuchte, ihre Verwandten in Frankreich zu benachrichtigen, und reiste sogar in den Ort, aus dem sie stammte, machte aber niemanden ausfindig. Schließlich folgte er einer Eingebung und stattete der Nervenklinik des Bezirks einen Besuch ab, wo er seinen zweiundsechzigjährigen senilen Schwiegervater antraf. Die Ärzte erklärten ihm, auch wenn das kaum erforderlich war, dass es in der Familie eine lange Geschichte geistiger Instabilität gab.
Zuerst war er wütend auf Monique, konnte ihr die Täuschungen und Halbwahrheiten nicht verzeihen, aber er war kein nachtragender Mann. Sein Zorn verflog, und schließlich beließ er es bei monatlichen Besuchen, die er in den seither vergangenen fünf Monaten stets absolviert hatte.
Nun ließ sich nicht mehr leugnen, dass sein Sohn ernsthaft krank war. Während der ganzen endlos langen Nacht drehten sich seine Gedanken im Kreis – beginnend mit der positiven Überlegung, dass dies die unweigerliche Reaktion eines sensiblen Kindes auf die Krankheit seiner Mutter war, dann weiter zu der Angst, der Junge könnte ihren labilen Geisteszustand geerbt haben, und zurück zum Anfang. Gegen fünf gab Fenwick jede Hoffnung auf Schlaf auf, erhob sich, schlüpfte in seinen Trainingsanzug und ging joggen. Es waren Monate vergangen, seit er regelmäßig trainiert hatte, und so war er schon nach fünf Meilen vor Anstrengung außer Atem und völlig durchgeschwitzt. Er war nicht fit. Zu viele Mahlzeiten im Schnellimbiss und Abendessen spät in der Nacht und zu wenig Training – das war für einen Mann seines Alters unverzeihlich.
Er machte sich ein gesundes Frühstück, Obst, Vollkorntoast und koffeinfreien Kaffee, und fühlte sich durch das Training geistig erfrischt, wenngleich er wusste, dass er am nächsten Tag einen schrecklichen Muskelkater haben würde. Dann duschte er, zog sich an, las die Zeitung von der ersten bis zur letzten Seite und fühlte sich bereit für den Tag – was immer er bringen mochte. Seine Entschlossenheit, sämtlichen Problemen zu trotzen, war wiederhergestellt.
Er wusste, was er tun würde. Er würde sich das Vergnügen gönnen, seine Tochter zu wecken, mit
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