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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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kreischten verärgert.
    Ich stieß auf die Straße zurück und ließ den Wagen langsam weiter rückwärts rollen, bis ich nur noch den grell erleuchteten Vorhang des fast in der Luft stehenden Schnees über der Kuppe sah. Dann fuhr ich langsam und mit durchdrehenden Rädern wieder hoch; ich versuchte mir vorzustellen, wie das mit Guttmann passiert war.
    Ich versuchte mir vor allem vorzustellen, was irgendwelche Menschen hatten tun müssen, um Guttmann auf diese Weise erledigen zu können. Ich wollte den Punkt ausfindig machen, an dem sie gestanden haben mussten. Wer immer sie auch gewesen sein mochten.
    Links kamen die Spitzen der Kiefern in mein Blickfeld, in die Guttmann gerast war. Rechts von der Straße stand eine sehr hohe, dichte Baumgruppe aus sechs oder acht Wacholderstämmen. Ich stoppte und stieg aus. Hinter den Stämmen im Windschatten waren Reifenspuren. In einer halben Stunde würden sie nicht mehr zu sehen sein.
    Der Polizist namens Schmitz kam angelaufen und fragte atemlos: »Haben Sie noch was gefunden? Das ist ja wirklich sonderbar mit den Löchern in der Scheibe.«
    Er starrte auf die Reifenspuren. »Wenn hier welche gestanden haben, dann sind die Löcher in der Windschutzscheibe, ja dann sind die ja wirklich … Vielleicht haben die gewildert? Klar!… Die haben gewildert… die hatten was vor der Flinte … Rehe, oder so … und irgendwie kam der Peugeot dazwischen und … und …«
    Bei seinem atemlosen Versuch, einen begreifbaren Vorgang zu konstruieren, wirkte er vollkommen hilflos. Er brach ab, starrte mich an und schien mich erst jetzt richtig zu erkennen. Heiser fragte er: »Was meinen Sie, Herr Baumeister?«
    »Die haben nicht gewildert«, sagte ich. »Nicht bei diesen Einschusslöchern. Das muss ja eine Elefantenbüchse gewesen sein oder eine Flak oder was weiß ich. Keine Wilderer.«
    »Chef!«, schrie er hysterisch, »Chef, komm mal her!« Dann rutschte er plötzlich aus, drohte, auf die Reifenspuren zu trampeln, machte einen grotesk weiten Schritt über sie hinweg und fuchtelte wild mit den Armen. »Das müssen wir absperren hier. Das gehört sofort abgesperrt. Scheiße, der Schnee, das schneit ja alles zu. Chef!« Dann rannte er los.
    Ich ging zu meinem Wagen und fuhr heim. Ich fragte mich, wie lange es dauern würde, bis sie aus ihrem Computer die erste Antwort erhalten hätten. Der Name Guttmann würde sie todsicher zu Lewandowski/Breuer führen und zu C-16, und genauso todsicher zu Baumeister.
    Und dann würden sie vor meiner Tür stehen und mir auf die Nerven gehen. Ich hatte keine Ahnung, was ich ihnen sagen sollte. Eigentlich wusste ich gar nichts, und sie wussten vielleicht alles.
    Wie in Trance machte ich die Garage zu und ging ins Haus. Ich setzte mich vor das nur noch glimmende Feuer und starrte hinein. Dann schob ich ein Band mit Haydns Streichquartetten in den Apparat. Das brachte mich schon gar nicht in die Wirklichkeit zurück. Es war drei Uhr morgens.
    Kennen Sie eigentlich Metzger, Willi Metzger?
    Schrill klingelte das Telefon. Ein Mann sagte geschäftsmäßig kühl: »Herr Baumeister, ich nehme an, Sie haben unseren Anruf erwartet. Wir werden in Kürze bei Ihnen sein. Gehen Sie bitte nicht aus dem Haus, bis wir dort sind.«
    »Lieber Himmel«, sagte ich wütend, »wenn ich nicht auf Sie warten wollte, wäre ich ja wohl längst in der Normandie, oder?«
    »Ach ja?«, sagte er pikiert und hängte ein.
    Ich hockte vor dem Feuer und hörte die zweite Seite des Haydn-Bandes. Dann fiel mir plötzlich ein, dass niemand außer mir wusste, dass ich Fotos von Lewandowski als Dr. Steiner besaß. Guttmann war tot, Guttmann hatte das niemandem mehr erzählen können. Oder hatte er Funk im Wagen gehabt? Ich stellte mir das Wrack seines Autos vor: Waren da Antennen gewesen? Ich erinnerte mich nicht. Die Zeit wurde langsam knapp. Ich sprang auf und schob die Fotos zwischen alte Akten. Dann kam mir das Versteck zu wenig perfekt vor. Wenn Guttmann über Funk mit irgendwem gesprochen hatte, bevor er in den Tod raste, waren die Bilder von Lewandowski jetzt heiß, glühend heiß.
    Ich holte sie also wieder hervor, packte sie zusammen mit den Negativen in eine braune Papiertasche, klebte die Tüte zu und versteckte sie auf dem Dachboden in einem alten, nicht benutzten Zug des Kamins. Ich kam mir dabei etwas lächerlich vor, aber ich wollte nicht riskieren, die einzigen Dokumente eines so bösen, vertrackten Falles zu verlieren. Im Radio sang eine Frau vollmundig Take my breath away

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