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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Schriftliches gibt … das heißt: Hat er Tagebuch geführt?«
    »Ja. Aber kein Mensch kann das lesen. Er führte es in Altgriechisch.«
    »Wir werden sehen. Noch eine Frage: Hatte er einen Lieblingsautor?«
    »Ja, Dostojewski, auch Tolstoi, Turgenjew, die klassischen Russen. Aber vor allem war er ein Filmfan. Er hat sich von vielen großen Filmen die Drehbücher besorgt. Er mochte Woody Allen besonders gern und Hitchcock …«
    Ich war mit dem Würstchen fertig und machte mich wieder an die Arbeit. Sie hockte sich derweil in der Tür auf den Boden, rauchte eine Zigarette und verlor sich in Erinnerungen an ihre große Liebe.
    Ich kam zu der Hinterseite einer alten, schweren Kredenz. Der Staub lag gleichmäßig dick, aber man konnte Schattierungen erkennen: Der Staub wurde an einer Stelle deutlich heller. Während ich die Kredenz näher in Augenschein nahm, fragte ich: »War Willi übrigens nach dem Mai ’89 in Frankfurt und Kiel?«
    »Das weiß ich genau, er war da. Aber er hat mir nie gesagt, weshalb.«
    Die Spuren schienen mir eindeutig: Jemand war um diese Kredenz herumgekrochen. Aber ich sah keine Möglichkeit, hier Bilder zu verstecken.
    Claudia begann, irgendetwas über Willis Lieblingsfilme zu erzählen. Ich hörte kaum hin, weil ich zu konzentriert nach einem möglichen Versteck suchte. Ich bekam nur mit, dass dauernd von irgendeinem Buch die Rede war. »Was haben Sie gerade gesagt?«
    »Dass Willis absolutes Lieblingsbuch Truffauts Interviews mit Hitchcock war. Er hat es immer wieder gelesen.«
    Ich kam mit dem Kopf zu schnell hoch und rannte unter eine vorstehende Ecke. Es tat höllisch weh.
    »Wo ist dieses Buch?«
    »Unten, im Regal.«
    »Können Sie es holen? Ich habe jetzt so ungefähr die Hälfte und muss sowieso mal Pause machen.« Sie schaute mich verblüfft an, ging aber los. Ich hockte mich am Eingang hin und rauchte ein paar Züge aus der Redwood.
    Sie kam mit einem zerlesenen Hanser-Band zurück und reichte ihn mir. Ich drehte ihn um, schüttelte, und zwei Fotos fielen heraus. Ich legte das Buch beiseite und hob sie auf. Obwohl das Licht schlecht war, erkannte ich Lewandowski sofort.
    Ich fühlte die Erregung des erfolgreichen Jägers in mir aufsteigen, aber ich dachte auch daran, wie unerbittlich dieser Willi Metzger seine Claudia aus der Geschichte herausgehalten hatte. Darum sagte ich möglichst gleichgültig: »Ich verstehe nichts von der Bedeutung dieser Fotos. Aber ich werde versuchen herauszufinden, was daran für Willi so wichtig war.«
    »Und ich dachte, das wüssten Sie«, sagte sie enttäuscht.
    »Leider nein.« Ich tat müde und enttäuscht, telefonierte ziemlich schnell nach einem Taxi und verabschiedete mich. Ich wartete auf der Straße, bis der Wagen kam. Ich brauchte frische Luft. Es kostet Kraft, in das Leben und den Tod anderer Menschen einzudringen.
     
    6. Kapitel
     
    Bei Nacht ist Wesseling ein totes Nest; ich hatte keine Mühe, den Wagen auszumachen, der uns folgte. Die Straße war so leer, dass das Verfolgerauto ohne Scheinwerfer fahren müsste. Aber immer, wenn der Wagen durch den Schein einer Straßenlaterne glitt, blitzten seine Fenster und die Chromteile auf.
    »Sind Sie ein wichtiger Mensch?«, fragte mich der Taxifahrer ganz ruhig. Er war jung, trug einen imposanten schwarzen Vollbart und wirkte auf mich wie ein stellungsloser Intellektueller. »Nach meiner Einschätzung bin ich relativ unwichtig«, antwortete ich. »Falls Ihnen die Auskunft aber zu unsicher ist, kann ich das verstehen. Kriminell bin ich nicht.«
    »Wollen wir ihn ärgern?«
    »Das wäre schön«, seufzte ich.
    Er drehte sich kurz zu mir um und grinste. Seine Augen waren voll strahlender Heiterkeit. »Dann brauchen Sie aber ein bisschen Zeit, und die Uhr wird laufen.«
    »Schon gut, machen Sie nur. Man muss sich auch mal was gönnen.«
    »Dann schnallen Sie sich fest.«
    »Machen Sie so was öfter?«
    »Nein. Aber manchmal habe ich eifersüchtige Ehemänner hinter mir, die sich für Superman halten.« An der nächsten Kreuzung blinkte er links, schaltete die Lichter aus und bog abrupt nach rechts ein. Dann gab er Vollgas. Keine hundert Meter weiter driftete er wieder nach rechts in eine Siedlung hinein, ohne vom Gas zu gehen. Wir rasten in eine Sackgasse, an deren Ende wir in unvermindertem Tempo durch eine Lücke zwischen einer Hecke und zwei Mülltonnen schossen. Beängstigend schnell schlingerten wir durch eine Wüstenei aus Kies und Sand, vorbei an einer Art Lagerhaus. Es ging durch tiefe

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