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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Gasthof in Stakendorf eingemietet. Seine Wirtsleute sagten aus, er habe sich vierzehn Tage ausschlafen wollen.«
    »Was geschah an diesem Mittwoch, ist das rekonstruiert worden?«
    »Die Lokalzeitungen haben es groß aufgemacht. Er stand um sieben Uhr auf, kam um acht Uhr zum Frühstück in die Gaststube. Dann fuhr er mit dem eigenen Wagen zu einem Treffen mit dem Landrat. Von dort etwa gegen zwölf Uhr mittags auf ein Bier an den Schönberger Strand. Er war ein geselliger, humorvoller Mann, schreiben die Kollegen. Dann fuhr er mit dem Auto nach Schönberg rein und ging in eine Gaststätte essen, die letzte Kneipe seines Lebens. Er traf sich dort mit einem Redakteur der Kieler Nachrichten zu einem Interview. Gegen ein Uhr bezahlte er und ging hinaus auf die Straße. Das Interview war beendet, nur ein Fotograf war noch da, der ein paar Bilder machte. Schmitz-Feller musste um sechzehn Uhr wieder in seinem Hotel in Stakendorf sein, denn zu diesem Zeitpunkt sollte seine Frau nachkommen. Sie reiste per Bundesbahn an. Jetzt muss ich ins Detail gehen: Schmitz-Feller verabschiedet sich von dem Fotografen und geht durch eine schmale Gasse neben dem Restaurant, sodass er auf die Rückfront des Gebäudes kommt. Der Fotograf nimmt wenig später zufällig denselben Weg. Auf der Straße hinter dem Restaurant herrscht dichtes Gedränge, weil da Andenkenstände sind. Der Fotograf achtet nicht auf Schmitz-Feller und fotografiert in die Marktszene rein. Plötzlich rutscht ihm der Bundestagsabgeordnete buchstäblich in die Optik und bricht zusammen. Das alles wird von einer Kamera mit Motor fotografiert, also in einer schnellen Bildfolge. Im Nu ein Menschenauflauf. Der Fotograf wechselt den Film und hält weiter drauf. Jetzt komme ich zu dem entscheidenden Foto: Du musst dir vorstellen, dass Schmitz-Feller, wenn er überhaupt schon tot ist, bestenfalls seit ein paar Sekunden nicht mehr lebt. Den Hintergrund bilden drei Fachwerkhäuser, daneben eine wuchtige Kirche. Links ein handgemaltes Schild Geräucherte Aale, darunter der Verkaufstisch dieser Bude. In der Mitte ein Menschenknäuel um Schmitz-Feller herum. Er liegt in dieser Budengasse wie ein zusammengekrümmtes Kind. Den ganzen rechten Bildrand nehmen zwei Männer ein. Es ist wieder der junge Mann mit der weißen Windbluse und den Jeans und den blonden Haaren, wieder halb von hinten fotografiert. Rechts neben ihm Lewandowski im Trenchcoat, aber ohne Baskenmütze. Und diesmal lächelt er nicht, er lacht. Man sieht seine Zähne, sehr gepflegte, strahlend weiße Zähne.«
    »Willi Metzger muss gedacht haben, jetzt hätte er das große Los.«
    »Das ist wohl sicher«, murmelte sie nachdenklich.
    »Weißt du, was mich erschreckt? Wenn es stimmt, dass Lewandowski der Henker ist, dann bedeuten diese Fotos, dass er Menschen nicht nur umbringt, sondern auch zusieht, wie sie krepieren. Und wieso lässt er sich so unbekümmert fotografieren?«
    »Warum nicht? Niemand bringt ihn mit den Vorfällen in Verbindung. Und außerdem können diese Fotos für ihn der Beweis einer guten Arbeit sein, verstehst du?«
    »Lewandowskis Gehabe auf diesem Foto ist ziemlich offen pervers.«
    »Ist der junge Mann auf dem Bild eindeutig derselbe wie in Frankfurt?«
    »Kein Zweifel. Dieselben Schuhe. Der linke Schuh hat unter dem Puma-Schriftzug einen tiefen Kratzer. Derselbe Schuh, derselbe Mann.«
    Auch wenn ich bei dem stechenden Licht dachte, mir würde jeden Augenblick der Schädel platzen, musste ich mir das Foto selbst ansehen. Es war schon verblüffend, mit welcher Dreistigkeit die beiden da fast stolz am Tatort standen.
    »Und trotzdem hat jemand die Zusammenhänge begriffen und ihn erschlagen«, meinte ich nachdenklich und schloss wieder die Augen. Die Baronin hatte mich besorgt angesehen; jetzt stand sie am Fenster und sah hinaus.
    »Nichts am Fall Schmitz-Feller war damals auffällig, außer der Tatsache, dass ein scheinbar kerngesunder Mann am helllichten Tag tot zusammenbricht. Die Berichte darüber geben nicht viel her. Nur eine Sache hat mich stutzig gemacht. Im Lokalteil der Kieler Nachrichten beschreibt eine Kollegin unter dem Titel Die Unpässlichkeit des Todes, was sie über den Tag des Bundestagsabgeordneten rekonstruieren konnte. Sie hat auch die Witwe erlebt. Das habe ich wörtlich abgeschrieben:
    Da hockt die Witwe verzweifelt in dem kleinen Hotel und starrt in die Sonne am Ostseestrand und kann es nicht fassen: Rolf Schmitz-Feller ist tot. Sie bekommt alle zehn Minuten einen frischen

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