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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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Industrievororten wurden auf den Campingplatz gezogen. Motorradbanden aus der Stadt bummelten auf der Strandpromenade. Die Leute reisten gut ausgerüstet an, mit Thermosflaschen, Gasöfen und Klappmöbeln. In ihren Öljacken machten sie lange Strandspaziergänge im Regen. Sie brachten Hunde mit, robuste, zähe Tiere. Es gefiel ihnen, als belastbare und tüchtige Leute angesehen zu werden, die in einer improvisierten Bleibe auf Achse leben. Im Geist fühlten sie sich ein wenig wie Vortrecker auf ihren Exkursionen. Ihr Ziel lag an der Mündung der See. Der exponierte Campingplatz war dem harschen Ostwind ausgesetzt, das Klima war rau.
    Margaret fand Ausreden, damit sie unter der Woche nicht zum Campingplatz hinausfahren musste.
    »Du beschwerst dich immer, wenn wir zusammen im Wohnwagen sind.«
    Es stimmte. Sie mochte weder den Campingplatz noch den gedämpften Sex in der engen Unterkunft. Ihre Reaktionen, die ihm das Gefühl gaben, sie müsse die Situation hinnehmen, erregten ihn.
    »Was reden sie in Newry über McGladdery?«
    »Dass er ein Sexbesessener ist. Es gibt Gerüchte über die Sachen, die in seinem Haus gefunden wurden. Bücher, Peitschen und anderes Zeug. Man sagt, im Keller sei ein Verlies. Es gibt welche, die behaupten, sie hätten nachts Schreie gehört.«
    Margaret gefiel es, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn in einem Gespräch Sex erwähnt wurde. Sie verwendete die korrekten anatomischen Bezeichnungen. Sie redete über Cunnilingus, sprach das Wort Penis laut aus und benutzte aufs Wesentliche reduzierte klinische Wendungen.
    »Manchmal komm ich mir vor wie in einer Klinik für Geschlechtskrankheiten«, sagte er.
    »Das ist die Bibliothekarin in mir«, sagte sie, »ich kenn die richtigen Wörter. Ich schlag sie nach.«
    »Machen Frauen das?«
    »Was?«
    »Im Wörterbuch blättern. Nach schmutzigen Wörtern suchen.«
    »Es gibt keine schmutzigen Wörter«, sagte sie.
    Aber er wusste, dass es sie gab. Wörter mit einer verletzenden Klangfarbe. Er betrachtete die Fotos von Elizabeth Figg, Patricia Curran und Pearl Gamble und wusste, dass sie die verletzenden Wendungen in der Dunkelheit gehört hatten. Ausgesprochen im Schatten, geflüstert, herausgeschrien von ihren Mördern, die tief in ihrem Innern nach okkulten Phrasen gesucht hatten.
    »Was ist los?«
    »Ich hab gestern die Abschrift von McGladderys Vernehmung durchgelesen.«
    »Du sagst das so, als ob du jemand im Krankenhaus besucht hättest. Einen alternden Verwandten, der sich freut, wenn er sieht, wie du dich schuldig fühlst, weil du ihn nicht öfter besuchst.«
    »So kommt es mir vor. Er redet ständig vom Mörder. Ob er damals wohl aufgeregt war? Er hat gesagt: ›Ich frag mich, ob ihm der Horror seiner Tat langsam klar wurde, als er über der Leiche stand.‹ Er hat zu mir gesagt: ›Glauben Sie, der Mörder ist an dem zerbrochen, was er diesem jungen Mädchen angetan hat?‹«
    »Du hast erzählt, dass er im Gefängnis Krimis liest.«
    »Taschenbücher.«
    »Das hab ich vermutet.«
    »Er sagt, dass er eine Geschichte schreibt.«
    Eine Geschichte schreiben. Dialoge rasen durch Roberts Kopf.
    »In der Abschrift, die ich gelesen habe, fragt er immer wieder nach forensischen Details auf dem Körper des Opfers. Robert sucht nach mikroskopisch kleinen Spuren.«
    »Mikroskopischen Spuren wovon?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Robert verlor sich in der verwirrenden Mechanik des Verbrechens. Sah sich selbst vor sich, wie er in ein Mikroskop spähte, den Details und Geheimnissen des Verbrechens auf der Spur.
    »Glaubt er, dass er den Mord aufklären kann?«
    »Sieht fast so aus.«
    »Was passiert, wenn er herausfindet, dass er selbst der Mörder ist?«
    An Sonntagen fuhren Sie nach Warrenpoint. Die Stadt war voll mit Tagesausflüglern aus Newry, von Sehnsucht überflutet. Die besten Zeiten der Stadt konnten nur in der Vergangenheit liegen, und die Menschen suchten nach Postkarten und Erinnerungsstücken aus besseren Tagen. Die Männer auf den Postkarten trugen Schnurrbärte, die Frauen Krinolinen und Sonnenschirme, die Gesichter waren ernst, weil sie wussten, was ihnen beschert wurde. Sie mussten die Vergangenheit bewahren, Sehnsüchte verkörpern und gegen die Fabrikmädchen und Arbeiter aus der Färberei, die stündlich aus den Zügen strömten, geschlossen zusammenstehen.
    McCrink sah Agnes McGladdery mehrmals an den Glücksspielautomaten auf dem Rummelplatz oder wenn sie aus dem Crown of Victoria kam. Sie redete laut, zog die Aufmerksamkeit auf

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