Requiem
es dann für unsere beiden Sammler interessant«, beeilte er sich zu sagen, »denn da beginnt die Hinwendung zum Faschismus.«
Er zeigte dem Kommissar unter anderem Einträge und Fotografien von Benito Mussolini, Joseph Goebbels und Hermann Göring.
»Na, da bin ich mal gespannt, was dieser arrogante Markgraf uns für Lügen auftischen wird, wie er in den Besitz dieser heißen Ware gekommen ist«, sagte Waldmüller. »Der sieht mir wie ein harter Bursche aus, das kann sich hinziehen mit der Vernehmung.«
»Aber wir haben doch noch den anderen Verdächtigen aus Markgrafs Jaguar«, gab sein Assistent zu bedenken.
»Wenn der Vogel zur Bande gehört, wird er schneller singen als sein Boss. Das glaube ich auch. Im Zweifelsfall schicken wir mal Harro zu ihm rein.« Der Kommissar lachte herzhaft.
»Und wie beurteilen Sie die Widerstandskraft von Hinz und Nagelschmidt, Chef?«
»Bei den beiden fällt mir eine Prognose schwer, denn die haben gleich nach ihrem Anwalt gerufen. Kann sein, dass sie jede Aussage verweigern, kann auch sein, dass sie schnell ein Geständnis ablegen, in der Hoffnung, wir schauen bei ihnen nicht so gründlich nach.«
»Aber das werden Sie doch wohl tun«, ereiferte sich Beaufort. »Da drinnen muss sich einiges befinden, was auf dem Index steht. Außerdem finanzieren die beiden womöglich eine rechtsextreme Kameradschaft. Vielleicht finden sich Beweise dafür.«
»Ist schon veranlasst, Herr Beaufort. Zwei Kollegen, die sich mit diesem braunen Fanzeug auskennen, sind hierher unterwegs. Auch jemand von der Soko Dutzendteich ist mit von der Partie, damit hier nur ja keine möglichen Hinweise auf die Morde übersehen werden. Einer meiner Kollegen ist noch drinnen und erwartet sie.« Der Kommissar grinste zufrieden angesichts einer möglichen Dienstreise an den Gardasee. »Da haben wir wirklich einen schönen Fang gemacht. Ohne Ihre und Frau Kamlins Hilfe wäre uns der nicht gelungen. Nochmals vielen Dank für den heißen Tipp.« Er reichte ihm die Hand und schüttelte sie so heftig, dass Beaufort um den Folianten bangte, der von seinen Knien zu rutschen drohte.
»Gern geschehen. Ich danke Ihnen, dass ich mitkommen durfte und Sie mir einen kleinen Einblick in Ihre Arbeit gewährt haben.«
»Keine Ursache. Wir müssen jetzt zurück ins Büro. Wollen Sie wieder mit uns zurückfahren?«
»Nein, danke. Nach dem vielen Stillsitzen möchte ich mir ein wenig die Beine vertreten. Ich glaube, ich mache noch einen kleinen Spaziergang um den See. Einen schönen Tag noch.«
»Haben Sie nicht etwas vergessen?«, fragte der Kommissar belustigt.
Beaufort sah ihn verständnissuchend an.
»Das Buch dort.«
»Oh, ja natürlich. Wirklich ein sehr interessantes Objekt. Es wird ja wohl nicht lange in Ihrer Asservatenkammer bleiben, sondern bald den Rückweg an den Gardasee antreten, nehme ich an.«
Er wickelte das wertvolle Buch sorgfältig wieder ins braune Packpapier ein und überreichte es Waldmüller. Zu gern hätte er noch einen Blick in die Wohnung der beiden Sammler geworfen, aber er ahnte, dass der Kommissar ihm das nicht gestatten würde. Also verabschiedete er sich und ging an den Dutzendteich. Trotz des grauen Himmels und der relativ kühlen Temperatur waren einige weißblaue Tret- und Ruderboote auf dem See unterwegs. Das Schwanenboot befand sich nicht darunter, wahrscheinlich war es noch nicht wieder freigegeben. Am Kiosk kaufte er sich ein Steckerl-Eis aus heimischer Produktion, als eine junge Frau mit einem bemerkenswerten T-Shirt-Aufdruck vorbeiging: Es zeigte drei angeschlagene Eier. Nachdenklich sein Eis schleckend, ging Beaufort am Seeufer entlang. Da gab es wohl noch mehr Kreative außer Frieder. Als er sich der Großen Straße näherte, war der Anblick der Kongresshalle am gegenüberliegenden Ufer besonders beeindruckend. Das lag nicht nur daran, dass die Ähnlichkeit mit dem Kolosseum in Rom aus dieser Perspektive am größten war. Zusätzlich spiegelte sich der Bau mit den hellgrauen Granitplatten auf der glatten Oberfläche des Sees, was ihn doppelt so monumental erscheinen ließ. Ein Effekt, den die beiden Architekten Vater und Sohn Ruff – dieser Bau stammte ausnahmsweise nicht von Hitlers erstem Baumeister Speer – ganz sicher mit eingeplant hatten. Parallel zur Großen Straße gehend, näherte er sich der Kongresshalle. Dort angekommen führte die Uferpromenade nach rechts weiter. Er folgte ihr dicht an der Längsseite des Riesenbaus entlang und sah in der Ferne über dem Wasser
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