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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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Bein in der Luft blieb Beaufort stehen, wendete den Kopf und erkannte Hubertus von Hohenstein, der mit zwei kleinen Kindern an der Hand dem Volksfest entgegenstrebte. »Na, Ihnen merkt man den Preußen aber ganz schön an. Immer im Stechschritt, was?«, rief der Messesprecher ihm vergnügt zu.
    Beaufort war über diese Begegnung so verblüfft, dass ihm keine gescheite Antwort einfiel. Der Mann war ohnehin schon weitergegangen. Hatte er von Hohenstein möglicherweise unterschätzt und dieser ihm seine Pagenstecher-Maskerade nie abgenommen?
    »Was war denn das für einer?«, fragte Renzo.
    »Noch nie gesehen, den Typ. Der muss mich verwechselt haben«, behauptete Beaufort ungerührt und schaute den jungen Historiker an. Aber er blickte ihm nicht direkt in die Augen, sondern sah über seine Schulter hinweg. Denn hinter Renzo, am Ufer des Großen Dutzendteichs, hatte er zwei alte Bekannte bemerkt. Heute trugen sie keine Lodenmäntel, sondern komplette Tracht: Haferlschuhe, Kniebundhosen, Trachtenjanker und Hüte mit Gamsbart. Die beiden Männer machten eher einen alpinen Eindruck, ein fränkisches Gewand war das jedenfalls nicht. Sie unterhielten sich lebhaft mit aufgeregten Gesten und steuerten ebenfalls aufs Volksfest zu.
    »Ich muss dann mal weg«, sagte Beaufort zu seinem Cicerone. Er hatte nicht vor, sich diese Chance entgehen zu lassen.
    »Aber ich wollte Ihnen doch noch die Zeppelintribüne zeigen und das Stadion!«
    »Ach, Fußball interessiert mich sowieso nicht«, rief Beaufort schon im Weggehen. Er folgte den beiden Alten in etwa 100 Meter Abstand.
    Verdutzt sah Renzo ihm nach. Er hatte sich nicht getäuscht: Der Mann war ein Exzentriker. Wie gut, dass er ihm schon gleich zu Beginn den Lohn abverlangt hatte.
     
    *
     
    »Der Club is a Depp … is a Depp … a Depp.«
    Anne suchte nach der richtigen Stelle im Satz, um zu schneiden. Sie saß vor dem Bildschirm und betrachtete konzentriert die vorbeilaufende Zickzackkurve der Tonspur. Die ähnelte dem ewigen Auf und Ab des DAX oder der Fieberkurve eines Malariakranken. Dabei war es lediglich die Visualisierung eines kleinen Interviews mit einem frustrierten Nürnberger Fußball-Fan. Per Tastendruck stoppte Anne die Kurve erneut, setzte mit einem Mausklick einen Schnitt und speicherte den fertigen O-Ton zu den anderen, die sie für ihren Beitrag brauchte. Der Club hatte gegen Schalke mal wieder verloren, und die Rückfahrt nach Nürnberg war lange nicht so lustig gewesen wie die Hinfahrt nach Gelsenkirchen. Im Fan-Bus herrschte nach der Niederlage gedrückte Stimmung. Denn wenn der 1. FC Nürnberg auch noch am kommenden Freitag sein Heimspiel gegen Cottbus vergeigte, war der Abstieg in die 2. Liga so gut wie besiegelt.
    Anne ging dieser Nachbericht zum Schalke-Spiel heute gar nicht zügig von der Hand. Sie hatte einen Haufen Atmo und Interviews mitgebracht, die alle noch angehört und geschnitten werden mussten. Beim schönsten Frühlingswetter hockte sie ausgerechnet im dunklen Studio, ärgerte sie sich. Aber einfach einen uninspirierten Beitrag auf die Schnelle runterzuleiern, bloß weil sie hinaus wollte, lag ihr nicht. Anne biss sich auf die Unterlippe. Vielleicht ginge es schneller voran, wenn sie eine kleine Pause einlegte und sich einen Kaffee kochte.
    Als sie in den Gang zum Sekretariat einbog, meinte Anne den Duft des frisch gebrühten Kaffees schon wahrnehmen zu können. Und das war keine Geruchs-Halluzination, denn je näher sie dem Raum kam, desto deutlicher hörte sie das Röcheln der Kaffeemaschine.
    »Hallo, Anne«, begrüßte Katja sie fröhlich, »magst du auch eine Tasse? Ich hab’ eine für dich mitgekocht.« Sie goss den Kaffee in zwei Becher.
    »Was machst du denn hier? Und woher weißt, dass ich da bin?« Anne war erfreut und erstaunt.
    »Hast du im Volontariat nicht gelernt, dass Doppelfragen journalistisch unelegant sind? Eine bleibt meistens unbeantwortet. Aber ich bin ja nicht so. Erstens: Ich muss noch einen Beitrag für den Heimatspiegel morgen früh machen. Und zweitens: ich habe direkt neben deinem Auto geparkt, damit es sich nicht so allein fühlt. Mit Milch, ohne Zucker. Bitte.« Sie reichte Anne einen dampfenden Becher.
    »Du bist ein Schatz, Katja. Wollen wir uns nicht ein paar Minuten raus in die Sonne setzen?«
    Die beiden Frauen gingen vorsichtig den Gang entlang, um ja keinen Kaffee auf dem Teppich zu verschütten. SPD würde sie sonst lynchen. Draußen im Studio-Park setzten sie sich auf eine Bank, die im Sonnenschein

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