Rescue me - Niemand wird dich schützen
hätte nicht für möglich gehalten, dass McCall eine solche Primadonna war. »Hast du ein Problem damit?«
Ein überraschtes Flackern huschte durch seinen Blick, dann grinste Noah wie ein Kind, das eben einen Extrabonbon bekommen hatte. »Nein, habe ich nicht.«
Sein seltsames Verhalten quittierte Jordan mit einem Kopfschütteln und machte sich auf den Weg hinters Haus. Zum Glück bot das wuchernde Unkraut eine gute Deckung, und sein braunes Hemd und die gleichfarbige Hose waren die perfekte Tarnkleidung. Er hielt sich geduckt, robbte fast, als er sich dem Gebäude näherte.
Einst dürfte es ein schönes Haus gewesen sein, aber jetzt war es ein echter Schandfleck. Efeu rankte wild über
die brüchige Fassade und sogar über einige der Fenster im ersten Stock. Die im Erdgeschoss waren mit Brettern vernagelt.
Jordan wartete die vereinbarten fünf Minuten ab und bemühte sich, nicht daran zu denken, was Eden gerade durchmachte. Er durfte es nicht, wenn er imstande sein wollte, zu tun, was getan werden musste. Sobald das hier vorbei war und er sie sicher in den Armen hatte, würde er seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Bis dahin jedoch war kaltes, rationales Denken gefordert.
Jordan duckte sich noch tiefer, als er die Rückseite des Hauses erreichte, und versuchte, zwischen den Brettern hindurch in die Fenster zu spähen, aber er konnte nichts sehen, die Scheiben waren von innen bemalt. Hier hatte folglich jemand etwas zu verbergen gehabt.
Jordan holte einige Werkzeuge hervor und widmete sich dem Türschloss. Es war eine Weile her, seit er das erste Mal in ein Haus eingebrochen war, doch damit verhielt es sich wie mit dem Radfahren – man verlernte es nicht. Er hatte gerade das erste Schloss geknackt und wollte mit dem zweiten beginnen, als er einen Laut hörte, der ihm eiskalte Schauer über den Rücken jagte.
Der Schrei einer Frau.
Zum Teufel mit lautlosem Anschleichen! Jordan schleuderte sein Werkzeug zu Boden, holte mit dem Bein aus und trat die Tür ein.
24
Eden setzte ihre bedrohlichste Miene auf. Wenn dieses Schwein sie nicht bald gehen ließe, würde sie ernsthaft sauer. Ihr kam es bereits wie eine Ewigkeit vor, dass er sie provozierte und bedrohte … ohne sie anzurühren. Er schritt vor ihr auf und ab, während er abwechselnd Flüche brüllte und mit Folter drohte. Als wäre es nicht schon Tortur genug, ihn wie einen Fünfjährigen mit dem Wortschatz eines altgedienten Seemanns zetern zu hören.
Während Georges seine Tirade fortsetzte, wurde Eden etwas klar: Er hatte Angst vor ihr. Deshalb kam er nicht näher. Und deshalb blickte er auch immer wieder unruhig auf ihre Beine. Georges wusste, dass er einen Fehler begangen hatte, ihr die Beine nicht zu fesseln. Auch wenn Eden noch nie einen Mann mit den Beinen erwürgt hatte, würde sie es durchaus versuchen, erst recht bei diesem Irren.
Warum hatte sie vorher nicht erkannt, wie wahnsinnig er war? Oder hatten ihr Betrug und Marcs Tod ihn erst in den Wahnsinn getrieben? Falls ja, musste er schon eine ganze Weile kurz vorm Durchdrehen gewesen sein. Sie hatte lediglich die Zeichen übersehen.
Zusehends angeödet von der Situation, zwang Eden sich, ihm zuzuhören. Vielleicht könnte sie seinem Gezeter ja irgendwann einen Sinn abgewinnen.
»Du hältst dich für so verflucht schlau … so schön … aber du bist wie alle anderen … hässlich im Innern. Meine Mutter ist die einzige wahrhaft schöne Frau.«
»Aber, Georges. Ich hätte dich nie für ein Muttersöhnchen gehalten.« Ja, sie wusste, dass sie ihn nicht reizen sollte, aber allmählich musste hier mal was passieren. Wenn das so weiterging, lief der Kerl noch eine Rinne in den Boden, ohne dass sie einen einzigen Schritt weiterkamen.
»Komm schon, Georges, sei ein braver Junge und mach mich los.«
Er starrte sie mit irren Augen an. »Du denkst, ich lass dich gehen? Nach alldem, was du mir angetan hast? Du hast mich betäubt. Meine Mama hat mich nackt gesehen. Mein Bruder ist tot, und jetzt müssen Mama und Papa ins Gefängnis!«
»Verdammt, Georges, wenn du mir jetzt noch erzählst, dass du deinen Pick-up zu Schrott gefahren hast, wird das ein Country-Hit.«
»Häh?«
Offenbar machten es ihm die kulturellen Unterschiede unmöglich, ihren Humor zu verstehen.
Seine Verwirrung dauerte nur eine Sekunde an, dann ging das Jammerkonzert weiter. »Mein Papa hat mich aus der Familie geworfen, meine Mama erlaubt nicht, dass ich sie besuche. Sie haben mir sogar meinen monatlichen Zuschuss
Weitere Kostenlose Bücher