Rescue me - Niemand wird dich schützen
wahr?«
Eden riskierte einen Blick zu Jordan, dessen Miene mal wieder vollkommen ausdruckslos war. Ein Teil von ihr wollte aufspringen und Noah sagen, dass das gar nicht infrage käme. Der andere Teil hingegen jubilierte innerlich vor Freude bei der Vorstellung, dass Jordan in Paris bliebe.
Schließlich, nachdem er Noah eine halbe Ewigkeit angesehen hatte, antwortete Jordan: »Ich weiß sehr wenig über die täglichen Abläufe bei LCR. Hast du niemand anderen für den Job?«
»Es gäbe einige wenige andere, doch die sind gerade mit Einsätzen betraut, von denen ich sie auf keinen Fall abziehen will. Bei deiner Erfahrung und deinem Hintergrund wird es für dich ein Kinderspiel. Und es ist bloß für ein paar Wochen, höchstens einen Monat. Eden kennt die Organisation bei LCR genauso gut wie ich. Ihr fehlt aber leider die … wie soll ich es ausdrücken …?«
»Die Geduld, mich mit einem Haufen Mist herumzuschlagen«, half Eden ihm aus.
Noah lächelte. »Ja, so könnte man es auch sagen. Ich
muss bisweilen auf gewisse Tricks und diplomatische Kniffe zurückgreifen, um zu erreichen, was ich will. Eden zieht eine direkte Vorgehensweise vor, die hier und da schon mal zu Reibungen zwischen uns und unseren Partnern führen kann.«
»Und eure Partner wären?«, fragte Jordan.
»Die Polizei, der Bürgermeister, die Regierungsbehörden, der Präsident«, antwortete wieder einmal Eden für Noah.
Jordans Mundwinkel zuckten, als müsste er sich ein Schmunzeln verkneifen. »Also im Grunde jeder, der euch in die Quere kommen könnte.«
»Wie gesagt, ich stehe nicht auf solchen Mist.« Eden grinste Noah an. »Noah hingegen ist darin ein wahrer Meister.«
»Ich danke dir vielmals, meine Liebe. Deine lieblichen Worte entzücken mich stets aufs Neue.«
Eden blickte zu Jordan. Er schien tief in Gedanken versunken. Was hieß, dass er ernsthaft überlegte, Noahs Vorschlag anzunehmen. In den wenigen Wochen, die sie mit Jordan verbracht hatte, war ihr klar geworden, wie sehr er die Arbeit bei LCR genoss. Warum er jedoch beschlossen hatte, nicht mehr für die amerikanische Regierung zu arbeiten, war ihr nach wie vor ein Rätsel. Sie sprachen ja nie über Persönliches. Für sie verbot sich das aus offensichtlichen Gründen. Aber dass er es ebenso konsequent mied, machte sie auf einmal stutzig. Sie hatte ihre Geheimnisse. Welche Geheimnisse hatte Jordan?
»Ich müsste ein paar Anrufe erledigen und einiges klären, ehe ich zusagen kann.«
Noah nickte. »Selbstverständlich. Es wäre gut, wenn du mir bis morgen Bescheid geben könntest. Solltest du ablehnen,
muss ich jemand anderen fragen. Milo wäre meine erste Wahl gewesen, aber …«
Eden schluckte, weil sie einen Kloß im Hals hatte. Milo war ein netter, liebenswerter Mann gewesen. Wie oft hatte er sich auf ihre Seite geschlagen, wenn sie mit Noah aneinandergeriet. Als sie neu bei LCR war, hatte Noah sie mehrmals bis an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht. Und jedes Mal war es Milo gewesen, an dessen Schulter sie sich anlehnen und bei dem sie sich austoben, aber auch ausheulen konnte.
Erst Jahre später war ihr klar geworden, dass Noah es exakt so geplant hatte. Eden brauchte jemanden, der sie stützte, und der konnte Noah nicht für sie sein, weil er ihr Trainer war. Deshalb bat er Milo, diese Rolle zu übernehmen. Und Milo eignete sich perfekt für den Job: ein ehemaliger Pfarrer, dessen verlässlicher Rat und Mitgefühl ihn bei allen Agenten äußerst beliebt machten. Sein Tod war nicht nur für LCR ein schrecklicher Verlust, sondern für die Welt überhaupt.
Jordan stand auf. »Ich gebe dir morgen Vormittag Bescheid.«
Noah erhob sich ebenfalls und schüttelte Jordan die Hand. »Wie du dich auch entscheidest, ich möchte dir sagen, wie dankbar LCR für deine exzellente Arbeit ist.«
Jordan nickte und sah zu Eden. »Ich rufe dich später an.«
Als er zur Tür hinausging, musste Eden die Finger in die Armlehnen des Sessels bohren, um nicht hinter ihm her zu laufen. Sie wollte ihn am liebsten gar nicht aus den Augen lassen. Was wäre, wenn er entschied, Noahs Angebot nicht anzunehmen? Hätte sie ihn dann heute zum letzten Mal gesehen? Würde er später anrufen und ihr mitteilen,
dass er abreiste? Oder würde er nicht einmal mehr anrufen? Wenn er nun einfach verschwand? Wenn …
»Eden, alles okay?«
Sie schüttelte die absurden Gedanken und das Gefühl von Hilflosigkeit ab, das mit ihnen einherging. Was war denn mit ihr los? Sie war eine starke, unabhängige
Weitere Kostenlose Bücher