Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
müssen. Ein großer Mann mit roten Haaren hatte in dem Raum auf einem Stuhl gesessen, war darauf vor- und zurückgeschaukelt und hatte dabei mit sich selbst geredet. Erst hatte Sherry ihn um Hilfe bei der Suche nach ihren Eltern bitten wollen – aber etwas an der Art und Weise, wie er mit sich sprach und dazu kicherte und sich hin- und herwiegte, hatte sie argwöhnisch gemacht. So hatte sie ihn zunächst nur aus der sicheren Deckung des Luftschachts heraus beobachtet. Der Mann hatte ein großes Messer in der Hand gehalten. Und nach einiger Zeit – und immer noch lachend und murmelnd und schaukelnd – hatte er es sich in den Bauch gestochen. Dieser Mann hatte Sherry mehr Angst eingejagt als die Zombies, weil sein Tun keinen Sinn ergab. Er war verrückt gewesen und hatte sich selbst umgebracht, und sie war davongekrochen und hatte geweint, weil es einfach hoffnungslos war.
Jemandem wie diesem Mann wollte sie nicht noch einmal begegnen. Und selbst wenn die Menschen im Büro nicht böse waren, würden sie sie vielleicht aus ihrer sicheren Zuflucht fortbringen und versuchen, sie zu beschützen – und Sherry fürchtete, dass sie dann sterben würde, weil das Monster ganz sicher keine Angst vor Erwachsenen hatte.
Es war schrecklich, sich abzuwenden, aber es gab keine andere Wahl. Sherry ging zurück in Richtung des Raumes mit den Rüstungen –
Rrrraagghh!
– und erstarrte, als unter ihren Füßen eine Diele knarrte. Das Geräusch schien ihr unglaublich laut. Sie hielt den Atem an, umklammerte ihren Anhänger und betete, dass die Tür hinter ihr nicht auffliegen würde, dass kein Irrer herausstürmen und – und sie sich schnappen würde.
Sie hörte nichts, war aber sicher, dass das Hämmern ihres Herzens sie verraten würde, so laut war es. Nach vollen zehn Sekunden setzte sie sich wieder in Bewegung, ging auf Zehenspitzen den Gang hinunter, trat so leichtfüßig auf, wie sie konnte, und kam sich vor, als schleiche sie sich aus einer Höhle voller schlafender Schlangen. Der Weg zurück zum Zimmer mit den Rüstungen schien eine Meile lang zu sein, und sie musste ihre ganze Willenskraft aufbieten, um nicht loszurennen, als sie erst einmal die Biegung erreicht hatte – aber wenn sie eines aus Kino und Fernsehen gelernt hatte, dann war es, dass das Davonlaufen vor einer Gefahr immer einen entsetzlichen Tod bedeutete.
Als sie endlich am Eingang des Rüstungszimmers anlangte, meinte Sherry, vor Erleichterung kurzerhand zusammenbrechen zu müssen. Sie war wieder in Sicherheit, sie konnte sich wieder in die alte Decke kuscheln, die Mrs. Addison für sie gefunden hatte, und einfach –
Die Tür zum Büro öffnete sich, öffnete und schloss sich. Und eine Sekunde später erklangen Schritte, die sich ihr näherten.
Sherry floh in den Rüstungsraum. Unter dem grellen, bebenden Ansturm von Panik, der sie durchlief, war sie außerstande, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie rannte an den drei Ritterrüstungen vorbei, vergaß ihren sicheren Zufluchtsort, weil alles, woran sie jetzt noch dachte, war, dass sie weg musste, so weit wie möglich weg. Hinter der Glasvitrine in der Mitte des Raumes gab es ein dunkles, kleines Zimmer, und Dunkelheit war das, was sie brauchte, Schatten, in denen sie verschwinden konnte …
… und sie konnte die rennenden Schritte irgendwo hinter sich hören, wie sie übers Holz hämmerten, während sie in den dunklen Raum sauste und sich dort in die hinterste Ecke verkroch. Zwischen den staubigen Ziegeln des Kamins dieses Zimmers und einem daneben stehenden gepolsterten Stuhl kauerte sich Sherry hin und versuchte, sich so klein wie irgend möglich zu machen. Sie schloss die Arme um ihre Knie und verbarg ihr Gesicht.
Bitte-bitte-bitte komm nicht herein, sieh mich nicht. Ich bin nicht hier –
Die rennenden Schritte hatten das Rüstungszimmer erreicht. Jetzt waren sie langsam, zögernd, umrundeten die große Glasvitrine in der Mitte des Raumes. Sherry dachte an ihr sicheres Versteck, die Öffnung des Lüftungsschachts, durch den sie hätte entkommen können, und bemühte sich, die heißen Tränen der Selbstvorwürfe zurückzuhalten. Aus dem Kaminzimmer gab es keinen Fluchtweg. Sie saß in der Falle.
Jeder hallende, pochende Schritt brachte den Fremden dem dunklen Raum näher, in dem Sherry sich versteckte. Sie kauerte sich noch enger zusammen, versprach, dass sie alles, wirklich alles tun würde, wenn der Fremde nur wegginge …
Poch. Poch. Poch.
Plötzlich entflammte der Raum in blendender
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