Resturlaub
fasziniert von dem Gedanken, dass der alte Pitschi gerade den neuen Pitschi angerufen hat. Ich schreibe mir meine neue Handynummer auf eine Karte und setze mich im verlassenen Wohnzimmer auf die grüne Stoffcouch. Meine beiden Handys lege ich neben mich.
Es dauert nicht lange, bis ich bemerke, dass »einfach so rumsitzen« in Buenos Aires ganz genauso langweilig ist wie in Bamberg. In Pedros Zimmer fliegt ein weiteres Monster in die Luft. Von der Straße höre ich eine weitere Sirene. Ich fühle mich ein wenig allein. Irgendwie ...
Und zum ersten Mal stelle ich mir konkret die Frage, was zum Teufel ich hier eigentlich machen will. Ich gehe in meine pinke Boca-Juniors-Kammer, hole das kleine Notizbuch aus meinem Rucksack und mache mir eine Liste der Dinge, die ich gleich morgen angehen will. Auf die allererste Seite schreibe ich:
Der neue Pitschi!
Dann blättere ich um und lege eine TO-DO-Liste für meine erste Woche an.
TO DO
1. Urlaubsschild Bastelbär organisieren
2. Strand suchen (oder fragen, ob ES wirklich keinen gibt)
3. Stadt erkunden
4. Job suchen
Als Pedro auch nach einer halben Stunde nicht wieder aus seinem Zimmer kommt, ergänze ich meine Liste.
5. Freunde finden zum Ausgehen
Dann stecke ich mein argentinisches Riesenhandy in meine brandneue Zara-Jacke und stürze mich ein zweites Mal ins Getümmel der Santa Fe. Diesmal biege ich links ab und nur zwei Blocks weiter finde ich ein gemütliches Eckrestaurant, das typisch argentinisch aussieht. Typisch argentinisch heißt für mich in diesem Fall, dass es weder deutsch noch italienisch oder chinesisch aussieht, sondern eben argentinisch. >Parilla< steht mit geschwungenen, roten Neonbuchstaben über einer schweren Holztüre und durch die Scheiben kann man sehen, wie ein indianisch aussehender Kerl einen ganzen Sack Kohle inklusive Verpackung in einen Riesengrill wirft. Wenn das mal nicht krebserregend ist! Ich will gerade hineingehen, da bemerke ich, dass außer dem Kohle-Indianer kein einziger Mensch im Restaurant ist. Ein schlechtes Zeichen, denn in einem guten Restaurant bekommt man sicher auch in Buenos Aires ab acht Uhr abends keinen Tisch mehr. Ich gehe weiter, passiere eine Apotheke mit dem Namen Dr. Ahorro, meinen SalzsäureSupermarkt und bleibe schließlich vor einer kleinen, bunten Sushibar stehen. Am ersten Abend in Buenos Aires ausgerechnet japanisch essen zu gehen wäre schon sehr albern. Ich biege in eine Seitenstraße ein und passiere ein buntes mexikanisches Restaurant namens Coty und zwei passable Italiener, in denen jedoch auch noch keiner sitzt. Einen Block weiter bleibe ich vor einem süßen, kleinen Restaurant stehen, in dem schon ein wenig mehr los ist. Leute in meinem Alter sitzen drin und ein wenig jünger, viele von ihnen sind Pärchen. Ich studiere die einsprachige Karte und sehe, dass es horno de barro gibt, also womöglich Huhn mit Brot, sowie pizzas, calzones, locro und cazuelas. Ich schaue noch einmal hinein und stelle mir vor, wie ich ganz erbärmlich alleine an einem der Tische sitze mit meinem Time Out Guide und meinem Brothuhn und beschließe, ein anderes Mal mit Begleitung wiederzukommen. Als ich mir vor einem viel zu hell erleuchteten libanesischen Restaurant ausrechne, dass ich seit mittlerweile zwölf Stunden nichts gegessen habe bis auf ein heimliches Nutellabrot, bemerke ich ein vertrautes Schild keine hundert Meter von mir. Wie dumm, dass ich da nicht gleich drauf gekommen bin! Am unauffälligsten und argentinischsten, am wenigsten touristisch und greenhornig wirkt man natürlich in einem McDonald's! Mal abgesehen davon, dass sie hier in Argentinien bestimmt besseres Fleisch zwischen die Brötchen packen als bei uns! Ich bestelle mir ein Menu Doble Hamburguesa con queso mit doble carne und doble queso inklusive papas fritas und einer Cola light. Ich setze mich an einen bunten kleinen Tisch neben ein paar aufgedrehte Teenager in grellen Jacken, die sofort beginnen, über mich zu giggeln. Was zum Teufel ist denn so komisch an mir? Meine Brille? Meine Frisur? Die Jacke kann es nicht sein, die ist argentinisch. Ich beschließe, dass mir das nun mal egal sein soll und dass die Teenager komisch sind und nicht ich. Ich ziehe mein Notizbuch aus der Jacke und lese ein weiteres Mal meine TO-DO-Liste. Ich tausche den Punkt »Urlaubsschild Bastelbär organisieren« mit »Freunde finden zum Ausgehen«.
1. Freunde finden zum Ausgehen
2. Urlaubsschild Bastelbär organisieren
3. Strand suchen (oder fragen, ob es
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