Resturlaub
Brief war schon das Beste.
Ganz sicher.
Glaube ich.
Ich bin fast eingeschlafen, als mir aus dem Wohnzimmer die Titelmelodie von Ice Age 2 entgegendröhnt. Und auch diesmal bekomme ich nicht viel vom Inhalt mit: Die Tiere sprechen spanisch! Ich schalte die Nachttischlampe ein, schlage mein Notizbuch auf und streiche den Punkt mit dem Urlaubsschild. Dann ergänze ich meine Liste.
TO DO
1. Spanisch Lernen
2. Andere Wohnung suchen
3. Freunde finden zum Ausgehen
4. Strand suchen (oder fragen, ob es wirklich keinen gibt)
5. Job suchen
Ich knipse das Licht aus, vergrabe mich unter meinem Kopfkissen, und als die DVD zum 134. Mal in das Warteschleifenmenu geht, schlafe ich endlich ein.
Die Kerstin am Handy vom Beder
ES IST NATÜRLICH LÄCHERLICH, sich zum Frühstück in seinem Zimmer einzuschließen, nur weil man Angst hat, dass einem die Mitbewohner kostbare Nutella wegessen. Aber was will ich machen? Wenn Nutella hier so schwer zu kriegen ist, muss ich schauen, wo ich bleibe. Hektisch, fast gierig stopfe ich den letzten Rest meines dritten Brotes in mich hinein und verstecke das halb leere Glas wieder unter dem Bett. Ich bin hundemüde, zerknittert und fühle mich, als wären eine Million Eichhörnchen über meinen Schädel gelaufen. Auf dem Weg in die Küche wage ich einen Blick ins Wohnzimmer: Der Fernseher ist ausgeschaltet und Pedro verschwunden. Lediglich die Ice-Age -DVD-Hülle zeugt noch vom nächtlichen Filmspaß. Kopfschüttelnd schlurfe ich in die Küche und begrüße Keks, die in ihrem engen gelben T-Shirt mit Hanfblattaufdruck und mit nassen blonden Haaren aussieht wie eine Surferin, die gerade aus dem Wasser kommt.
»Mooorgen!«
»Na, gut g'schlafen?«, fragt Keks.
Als Taxi mich sieht, springt er vorsichtshalber von seinem Stuhl und schleicht in seinen Korb.
»Nicht gut geschlafen«, nuschle ich und öffne auf der Suche nach einer Tasse eine Küchenschranktür. »Pedro hat seinen Kinderfilm auf voller Lautstärke geguckt!«
»Dassen sind eins weider!«
Ich öffne die »eins weidere« Tür und nehme mir eine Boca- Juniors-Fantasse heraus. »Ich hör des gar net mehr, wenn Bedro immer seinen Ice Age 2 guckt«, lacht Keks, »wahrscheinlich hab ich mich einfach dran gewöhnt.«
»Wie meinst du das, immer, wenn er seinen Ice Age 2 guckt?«, hake ich erschrocken nach.
»Na, andere Filme schaut er ja net!«
Schulterzuckend setzt sich Keks zu mir an den Tisch und ordnet mehrere Textblätter, auf denen ganze Passagen mit Textmarker angestrichen sind.
»Er guckt immer nur Ice Age?«, frage ich entsetzt.
»Er hat halt Diere so lieb!«, seufzt Keks resigniert.
»Ach übrigens, eine Sabine hat angerufen für dich, aus Mallorca, glaub ich!«
Mir fällt fast mein Kinn auf die Tischplatte. Dann starre ich auf mein deutsches Handy auf dem Küchentisch und dann wieder auf Keks.
»Was???«
»Eine Sabine hat angerufen, vor a halben Stunde ungefähr, wollt' dich net wecken deswegen. Schlimm? Oder warum guckst du so?«
Keks' Stimme verliert sich im Strudel meiner Gedanken. Schlimmer könnte es Biene gar nicht erfahren. Wie hab ich auch nur eine Sekunde annehmen können, dass ich eine Lüge dieses Ausmaßes für ganze drei Wochen aufrechterhalten könnte?
»Hätte ich net an dei Handy gehen sollen oder . ich meine, ich kann's auch klingeln lassen in Zukunft.«
»Was ...«, stottere ich, »... was hast du gesagt?«
»Was hab ich denn gesagt . mhhh .«
»Bitte, Keks, das ist jetzt ziemlich wichtig für mich!«
»Okay ... also ... ich hab >Hallo< gesagt und >Die Kerstin am Handy vom Beder<.«
»Und dann?«
»Dann hat sie gefragt, ob sie dich sprechen kann, und ich hab gesagt, dass ich nicht weiß, wo du bist und dass du zurückrufst.«
Zum ersten Mal seit einer halben Minute wage ich es zu atmen.
»Wie . wie hat sie geklungen dabei?«
»Weiß nich ... normal?!«
»Du hast nichts gesagt von wegen, dass ich noch schlafe oder irgendwas von Buenos Aires?«
»Nee. Wieso? Wer is'n das, die Biene? Deine Freundin?«
»Ex!«, sage ich hastig und greife nach meinem Handy.
»Willst du drüber reden?«
»Nein!«
»Wenn du die Nummer von meinem Derapeuten brauchst!«
»Danke, ist lieb, aber die Sprachschule ist, glaube ich, dringender.«
»Stimmt!«
Aus einem Ringbuch reißt Keks mir einen Zettel heraus und schreibt mir eine Adresse auf. »Hier: Multilingua, Hipolito Yrigoyen 937, Telefonnummer hab ich net, aber kannste hinlaufen von hier!«
»Laufen ist gut!«
Ich würde jede Minute zum
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