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Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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trat auf den Steinboden und wartete darauf, dass Naif an ihr vorbeiging. »Bleib immer auf den gut erleuchteten Pfaden«, sagte sie.
    Es klang wie eine Drohung, nicht wie eine Warnung.
    Naif beeilte sich, von ihr weg und in die Halle von Agios zu kommen.
    Dort hatten sich die Partygäste zu nervösen Grüppchen zusammengefunden, die nun vom Querschiff ins Hauptschiff strömten. Sie nippten aus langstieligen Gläsern, und die Mädchen schwankten auf unmöglich hohen Absätzen, während die Jungen lachend an ihren Fliegen und eng geknöpften Westen zupften. Am anderen Ende teilte ein langer, weiß gedeckter Tisch den Narthex vom Rest der Halle. Als Naif näher kam, sah sie, dass er mit allerlei Köstlichkeiten beladen war: Silberplatten mit Käse, Früchten, gerolltem Fleisch und honiggetränktem Gebäck. Wenn sie sich sehr konzentrierte, sah sie auch einen Uther hin und her huschen.
    Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, doch als sie dann nach einer der Platten die Hand ausstreckte, erklangen die ersten Töne einer Melodie, und sofort vergaß sie das Essen. Das Kerzenlicht verlöschte, sodass nur noch der Altar erleuchtet war. Darauf saß Markes, die Gitarre in den Händen.
    Naif presste ihre Hände auf den Bauch, der auf einmal wie zugeschnürt schien. Selbst hier aus dem Narthex konnte sie sehen, wie ihm die Locken über die Schultern fielen – und da war auch der träumerische Ausdruck auf seinem Gesicht.
    Die einfachen Akkorde, die er mit seinen starken Fingern anschlug, zwickten in ihre Haut. Langsam füllten Tanzende das Hauptschiff, einige mit Partnern, andere allein, versunken in ihre eigene Welt.
    Naif wurde von ihnen mitgezogen. Unfähig, dem Sog der seelenvollen Musik zu widerstehen, bewegte sie den Körper in ihrem Takt, freute sich an ihrer neuen Freiheit zu tanzen. Nach und nach gewann die Musik an Geschwindigkeit und die langsame, sinnliche Melodie wurde immer lauter und wilder, bis sie schließlich ihren Höhepunkt erreichte und leise ausklang.
    Als sich die Tanzfläche wieder leerte, umfassten sie plötzlich starke Arme, hoben sie hoch und schüttelten sie. »Retra?«
    »Rollo!« Ein anderes Paar Hände zog seine Arme auseinander und zwang ihn, sie abzusetzen. »Suki!«
    »Geht es dir gut?«, riefen sie beide wie aus einem Munde.
    Kurz darauf war sie von Menschen umringt: Krista-belle, Kero und die Wings. Hinter ihnen konnte sie noch andere sehen – Stachelarmbänder lugten unter ihren Ärmeln hervor –, die näher zu kommen versuchten. Auch die Freeks waren da.
    Ihre Begrüßung strahlte eine so beunruhigende Energie aus, dass sie sich wie aufgeladen fühlte und erst einmal tief Luft holen musste. »Ich habe nach euch allen gesucht. Charlonge sagte, ihr wärt vielleicht hier.«
    Kero zeigte auf Rollo. »Er sagt, Brand hätte dich festgehalten.«
    Während die meisten Gesichter um sie herum erleichtert und glücklich aussahen, wirkte das von Kero ernst.
    Naif nickte. »Das stimmt. Ich habe gerade in Goa mit einem Mädchen gesprochen, das mir sagte, ihr wolltet mich holen kommen?«
    Kero zuckte die Achseln, doch Krista-belle umarmte sie. »Ja. Diese Brand hat es doch nicht anders verdient.«
    Naif erwiderte die Umarmung und schob Krista-belle dann sanft von sich. »Brand ist gefährlich. Geh nirgendwo allein hin.«
    »Du warst nicht allein, und das hat dir auch nichts genützt«, stellte Suki fest.
    Kero kam näher. »Was ist passiert? Wie hast du dich befreit?«
    »Lenoir hat mir geholfen.«
    Alle begannen auf einmal zu reden und wollten alles über Lenoir und Brand wissen.
    Kero unterbrach sie, indem er warnend flüsterte: »Verteilt euch!«
    Gehorsam strömte die Gruppe über die Tanzfläche, als einige Riper im Hauptschiff auftauchten und auf sie zustrebten. Unter ihnen entdeckte Naif Test. Sie warf einen Blick hoch zum Balkon. Beobachtete Lenoir sie noch immer?
    Als sie sahen, dass sich die Gruppe auflöste, änderten die Riper ihren Kurs und schlenderten zu den Büffettischen hinüber, als wäre das ursprünglich schon ihre Absicht gewesen.
    Markes begann mit einem neuen Song, und Suki packte Naif und lehnte sich näher an sie.
    »Was ist mit dir passiert? Rollo ist fou . Seitdem Brand dich fortgebracht hat, schluckt er alles, was sich in Sichtweite befindet. Er gibt sich selbst die Schuld. Er hat die Wings und die anderen so weit aufgestachelt, dass sie jetzt bereit sind, gegen die Riper zu kämpfen. Sie haben schon Fackeln aus den Kirchen geklaut, um im Dunkeln besser sehen zu können. Ich

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