Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)
und tun nichts.« Trotz der lauten Musik hörte sie ihm an, dass er enttäuscht war. »Da ist noch etwas anderes, aber du darfst es niemandem verraten. Nicht mal Suki. Sie würde mich nur auslachen.«
»Was denn?«
»Ich habe mich Dark Eve angeschlossen.«
»Nein!« Naif blieb stehen, sodass er gegen sie stieß und ihr auf den Fuß trat. Ihr Knöchel gab nach, und sie wäre gefallen, wenn er sie nicht bei der Taille gepackt hätte.
Sie zuckte zusammen und richtete sich auf. Dann boxte sie ihn auf die Brust und funkelte ihn böse an. Im bernsteinfarbenen Licht der Kerzen sah seine Haut fahl aus, und in seinen glitzernden Augen lag Begeisterung und auch ein wenig Unsicherheit.
» Fou! Warum hast du das getan?«
Er war sichtlich verletzt, überspielte es jedoch mit einem angriffslustigen Blick. »Weil sie hier Dinge ändern wollen, so wie ich das damals zu Hause vorhatte. Nur, dass ich zu viel Angst vor dem Rat gehabt habe. Ich habe Eve von dem Riper erzählt, den ich in Grave gesehen hab, und vom Plan der Riper, wie sie Ruzalia fassen wollen. Sie sagte mir, das wären sehr wichtige Informationen, und dass sie gern hätte, wenn ich mich ihnen anschließen würde. Sie ist wirklich erstaunlich, echt.«
Erstaunlich .
»Sich ihr anschließen? Um was zu tun? Ihre Waffen zu tragen?«
Er öffnete den Mund, um zu antworten, und klappte ihn wieder zu, um dann den Kopf zu schütteln, als wolle er nicht mehr sagen.
Wut stieg in ihr auf, ganz leicht und ungehemmt. »Du hast mir schon verraten, dass du jetzt in ihrer Gang bist. Nun ist es aber ein bisschen zu spät, um noch geheimnisvoll zu tun.«
»Tja, vielleicht hätte ich dir lieber gar nichts sagen sollen.« Er krümmte die Schultern. »Ich war nur … erleichtert, dass es dir gut geht. Keine Scheißahnung, warum. Du bist so komisch. Du machst mich runter, weil ich hier was verändern will, aber guck dir doch an, was du getan hast. Erst ziehst du einem Riper einen Hocker über, dann versuchst du zu verhindern, dass Markes ins Komitee aufgenommen wird. Wenigstens sind die Leaguaner freundlich und sagen einem, was sie als Nächstes vorhaben. Du bist so unberechenbar.«
»Und du glaubst, nur weil sie freundlich sind, wäre das, was sie tun, richtig? Das ist einfach dumm.« Die wütenden Worte kamen ihr wie von selbst über die Lippen.
Dieses Mal stand ihm die Kränkung ins Gesicht geschrieben. »Warum machst du mich immer runter?«
Aus ihrer Wut wurde schnell Schuldbewusstsein. Hatte er jetzt recht? Behandelte sie ihn wirklich so, wie Cal sie behandelt hatte? Aber sie ärgerte sich über ihn.
»Und überhaupt«, sagte er, »ich finde es dumm , wenn jemand so tut, als könnte er mit einem Riper reden. Sie sagen uns, was wir tun sollen, und wir gehorchen. Das ist alles.«
Doch die Wahrheit war, dass Naif nicht wusste, wie sie wirklich über die Riper dachte. Sie war loyal gegenüber ihrem Bruder und würde es immer sein, aber Lenoir hatte ihr gerade erst das Leben gerettet. Und er schien es ehrlich zu meinen, wenn er sagte, dass er sie alle gegen Brand beschützen wollte.
Rollo ließ sie los, und sie trat ein Stück von ihm weg. Die Lücke zwischen ihnen wurde so schnell durch die Tanzenden gefüllt, dass sie schon einen Moment später weder ihn noch Suki sehen konnte.
Oder Modai.
Verwirrt und bedrückt ließ sich Naif von der Musik in die Stirnseite des Hauptschiffs ziehen, von wo aus sie Markes zusehen konnte.
Sein Blick blieb einen Moment lang an ihr hängen, als er von etwas Schnellem zu einer Ballade mit einer hypnotischen Melodie wechselte. Die Paare hörten auf zu tanzen und umfassten einander.
Naif stand still da, um ihren Einklang mit der Musik nicht zu stören. Dieser Song galt ihr – sie wusste es –, und sie ließ sich von ihm tragen, von der Traurigkeit hin zur Freude. Es war, als wäre sie wieder bei Lenoir, als spürte sie seine warme Zunge an ihrem Schenkel, seinen Atem auf ihrer Haut. Die Erinnerung an die Erleuchtung schien ihr so frisch, als wäre es gerade erst, in diesem Augenblick, geschehen.
Als die Musik schließlich aufhörte, war sie aufgewühlt, bewegt. Sie blieb bei dem Lettner stehen, der Schranke, die die Tänzer vom Hauptschiff trennte, und wartete darauf, dass Markes vom Altar herunterkletterte. Aber die anderen hatten dieselbe Idee, sodass sie sich an der Schranke festhalten musste, um ihren Platz ganz vorn zu verteidigen.
»Den Song hat er für mich geschrieben«, sagte das Mädchen neben ihr zu einer anderen. »Wir haben
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