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Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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fassen.«
    »Was?«
    »Wir haben gehört, wie sie darüber sprachen, kurz bevor sie dich vor das Komitee gebracht haben.«
    »Ich erinnere mich nicht mehr an viel, nur, dass ich Lenoir getroffen habe. Brand hat mir was gegeben, das ich schlucken sollte. Sie sagte, das müsste ich nehmen, wenn ich vorgestellt werden wollte.« Er legte die Stirn in Falten, als müsste er sich erst in Erinnerung rufen, was sich da abgespielt hatte. »Ich vertraue ihnen nicht und dem Komitee auch nicht. Hast du von den Gangs gehört, die es hier gibt?«
    »Du meinst die Wings und die Freeks oder so?«
    Sie nickte. »Viele von ihnen glauben, dass das Komitee für die Riper spitzelt.«
    Markes strich sich den Pony aus den Augen, sodass sie sie zum ersten Mal richtig sah. Sie wirkten verhangen, so als hätte er etwas genommen – eine Pastille oder vielleicht Kügelchen.
    »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Wusstest du, dass hier manche von dir sprechen, als wärst du so eine Art Heldin?«, sagte er. »Und andere behaupten, du wärst diejenige, die für die Riper spitzelt. Dass Lenoir seine Hand über dich hält.«
    »Wer sagt das? Mitglieder des Komitees?«
    Markes ließ den Kopf wieder hängen.
    »Lenoir hat mir geholfen, als ich verletzt war – das ist alles.«
    »Du bist verletzt worden?« Markes warf ihr einen schnellen Blick zu, was fast so wirkte, als wollte er sich entschuldigen, als er sagte: »Das wusste ich nicht. War es Brand?«
    Sie nickte.
    »Hör zu, du bist zwar irgendwie komisch, Retra – aber nett. Vielleicht liegt es daran, dass du eine Seal bist.« Er streckte die Hand aus. »Danke, dass du dir Sorgen um mich machst, aber tu mir einen Gefallen: Lass es.«
    Als sie noch Retra gewesen war, wäre sie ihm für den Handschlag und die freundlichen Worte dankbar gewesen. Aber jetzt ärgerte sich Naif über seine Sturheit und Ignoranz. Sie ließ die Hand an ihrer Seite. »Ich heiße jetzt Naif.«
    »Du hast einen Ixion-Namen angenommen. Das ist cool. Ich glaube, ich gehe mal lieber wieder rein, Naif «, sagte er.
    »Zu Cal?«
    Grinsend verdrehte Markes die Augen. »Sie ist netter, als du denkst. Wenn man sie richtig kennt, meine ich. Sie ist eben … direkt, das ist ihre Art. Ihr Vater ist ein Aufseher.«
    Naif wurde übel. Ein Aufseher als Vater. Wie das wohl war? Der Aufseher, den man ihrer Familie zugeteilt hatte, war so grausam gewesen. »Es gibt da etwas, das ich dich fragen wollte. In der Anlage durften wir keine Musik machen oder hören, es sei denn, Vater erlaubte es. War das bei euch anders?«
    »Ich komme aus einer Familie von Kirchenmusikern. Wir wurden, wenn wir wollten, für diesen Zweck ausgebildet.«
    »Dann bringen also Musiker Musiker hervor, Aufseher Aufseher und Räte Räte«, sagte Naif. »Ich wusste nicht, dass das die Regel ist. Mein Vater ist ein Vorbeter. Ich … Mädchen können nicht Vorbeterinnen werden.«
    Er nickte. »Seals sind anders.«
    »Dann wäre Cal also eine Aufseherin geworden, wenn sie geblieben wäre?«
    Er nickte, als wäre ihm die Frage unangenehm. »Kommst du mit rein?«
    »Bald.«
    »Bleib nicht zu lange weg, sonst suchen dich die Riper. Die Leute sagen, diese Party sei extra für dich organisiert worden. Ist das richtig?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Warum sollte es eine Party für mich geben? Ich bin nicht anders als alle anderen.«
    Markes verzog das Gesicht zu einem schwachen Grinsen. »Ach so? Das glaube ich nicht.« Dann ging er.

22
    Naif hockte sich auf den Boden und umschlang die Knie. Sie fühlte sich seltsam ernüchtert. Was hatte sie sich von diesem Gespräch erhofft?
    Sie wusste es nicht. Ihre Gefühle änderten sich ständig. Zu lächeln fiel ihr nun leichter, doch sie war auch schneller unzufrieden. Alle Maßnahmen zur Selbstkontrolle, die sie als Kind erlernt hatte, waren vergessen, und was blieb, war lediglich innerer Aufruhr.
    »Ret?«
    Das Flüstern wehte von einem der Pfade herauf, die den Hang hinabführten. Sie spähte ihn hinunter. Sie kannte die Stimme, konnte den, der gesprochen hatte, aber nicht sehen. »Joel?«
    »Geh auf meine Stimme zu, aber sieh nicht her.«
    Mit klopfendem Herzen tat sie, was er gesagt hatte. Ihre Füße knirschten auf den Kieselsteinchen. Trockene Äste brachen ab und verfingen sich im langen Saum ihres Rockes. Sie raffte ihn zusammen und ging weiter.
    »Bleib jetzt stehen und verschränk die Arme. Betrachte einfach die Lichter am Hang. Sprich leise. Vielleicht wirst du von Ripern beobachtet.«
    »Hier draußen sind keine

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