Rette meine Seele - Vincent, R: Rette meine Seele
Nash lümmelte sich auf das Bett, und ich beobachtete ihn vom Schreibtisch aus im Spiegel. Als er die Hände hinter dem Kopf verschränkte und die Muskeln an seinen Armen hervortraten, klopfte mein Herz wie verrückt. Es fühlte sich immer noch komisch an, mit einem heißen Sportlertyp zusammen zu sein, aber Nash war auch kein typischer Footballer. Mit seinem Bansheestammbaum, einem toten Vater, nicht ganz so toten Bruder und dem vertrauten Umgang mit einer Welt, die einen normalen Menschen in die Gummizelle bringen würde, passte er genauso wenig in unsere Schule wie ich.
Er konnte es nur besser verbergen.
Aber es hatte durchaus Vorzüge, einen ästhetisch so … ansprechenden Freund wie Nash zu haben, auch wenn ich mich nur schwer auf etwas anderes konzentrieren konnte, wenn er in der Nähe war.
Konzentrier dich, Kaylee … Ich atmete tief durch und brachtemeine Gedanken wieder auf Kurs. „Ist die Sache mit dem falschen Namen nicht ziemlich abgeschmackt?“
Nash deutete ein Schulterzucken an. „Solange es funktioniert.“
Nachdem die Trefferseite fertig geladen war, überflog ich die Ergebnisse. Beim ersten Link handelte es sich um irgendeinen Supermotor für den Ford Mustang, der zweite führte zum Comic-Portal von Wikipedia. Auch die restlichen Links gingen in diese Richtung. So viel zum Thema Internetrecherche.
„Erklär mir noch mal, warum wir das hier tun.“ Nashs Tonfall brachte seinen Widerwillen deutlich zum Ausdruck. Er war ziemlich genervt.
„Weil Addison Hilfe braucht und ich an das Schicksal glaube.“ Nash warf mir einen amüsierten Blick zu. „Ich spreche vom Abendessen“, erklärte er.
„Ach so.“ Ich schob den Stuhl zurück und kippte fast nach hinten über, weil sich die Rollen in dem zerschlissenen Teppich verfingen. Nachdem ich mich wieder gefangen hatte, setzte ich mich im Schneidersitz neben Nash aufs Bett. „Weil mein Dad sich wirklich anstrengt, ein guter alleinerziehender Vater zu sein, und weil Onkel Brendon der Einzige ist, mit dem er reden kann.“
Nach dem Tod meiner Mutter hatten mich Tante Val und Onkel Brendon großgezogen. Mein Vater wollte mich damit vor der Rache des Reapers beschützen, der das Leben meiner Mutter gegen meines eingetauscht hatte. Doch wir wussten beide, dass es noch einen anderen Grund gab, warum er sich aus meinem Leben ferngehalten hatte: Ich war meiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Jedes Mal, wenn Dad mich ansah, sah er meine Mutter, und das brach ihm das Herz.
Nach der Sache mit Tante Val war er zurückgekehrt, weil ermich jetzt, nachdem das Geheimnis meiner Identität gelüftet war, lieber persönlich beschützen wollte. Abgesehen davon quälten ihn mit Sicherheit Schuldgefühle, weil er mich so lange alleine gelassen hatte. Also hatte er seinen gut bezahlten Job in Irland aufgegeben und als Fabrikarbeiter in Dallas angeheuert. Und jetzt versuchten wir gemeinsam, diese ganze Vater-Tochter-Geschichte auf die Reihe zu bekommen. Selbst wenn wir dafür zur Miete in einem winzigen Haus wohnen, jeden Cent zweimal umdrehen und einmal die Woche mit Onkel Brendon und meiner fiesen Cousine zu Abend essen mussten.
Nash rutschte ganz dicht an mich heran und nahm meine Hand. „Ich weiß, aber Sophie entwickelt sich langsam zu einer echten Nervensäge.“
Damit hatte er verdammt recht.
Sophie begriff bis heute nicht, was in der Nacht geschehen war, in der ihre Mutter gestorben war. Als sie aus ihrer angeblichen Bewusstlosigkeit – in Wahrheit war sie gestorben – erwacht war, hatte ihre Mutter tot am Boden gelegen. Und ich hatte über der Leiche gestanden und eine schwere, gusseiserne Bratpfanne geschwungen.
Laut Aussage des Gerichtsmediziners war Tante Val an Herzversagen gestorben, doch Sophie war nicht davon abzubringen, dass ich für den Tod ihrer Mutter verantwortlich war. Ich konnte ihr das nicht einmal verübeln, schließlich hatte sich ihr Leben in kürzester Zeit in ein schreckliches Chaos verwandelt. Dabei ahnte meine Cousine nicht einmal, dass ihre Verwandten keine Menschen waren und es auf der Welt gefährlichere Dinge gab als die gewöhnlichen Verbrecher auf der Fahndungsliste des FBI. Trotzdem spürte sie, dass wir ihr etwas verschwiegen, und dafür hasste sie uns.
Sophie war klug genug, mich nie offen zu beschuldigen, undauch bei unseren gemeinsamen Abendessen kam ihr kein böses Wort über die Lippen. In der Schule aber machte sie Jagd auf mich, und Nash war nicht der Einzige, dem das auffiel.
Aus der Küche drang
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