Rette mich
sein.
»Mein Vater sagt, dass du dich an nichts aus den letzten fünf Monaten erinnern kannst. Warum geht dein Gedächtnisverlust so weit zurück? Warum nicht erst, seitdem du entführt worden bist?«
Meine Geduld war zu Ende. Wenn ich meine Probleme mit jemandem besprechen wollte, dann war Marcie bestimmt nicht die Erste auf der Liste. Sie stand überhaupt nicht auf der Liste. »Ich habe keine Zeit für so was. Ich geh an den Tisch zurück.«
»Ich versuche nur, Informationen zu bekommen.«
»Schon mal daran gedacht, dass dich das nichts angehen könnte?«, sagte ich zum Abschied.
»Willst du mir sagen, dass du dich nicht an Patch erinnerst?«
Patch.
Sobald sein Name von Marcies Lippen kam, verdunkelte der gespenstische schwarze Schatten mein Gesichtsfeld. Er verschwand so schnell, wie er aufgetaucht war, hinterließ aber einen Eindruck. Ein heißes, unerklärliches Gefühl. Wie ein unerwarteter Schlag ins Gesicht. Ich verlor einen Moment lang die Fähigkeit zu atmen. Das Stechen setzte sich bis in meine Knochen fort. Ich kannte den Namen. Da war doch etwas …
»Was hast du gesagt?«, fragte ich langsam und drehte mich um.
»Du hast mich gehört.« Ihre Augen beobachteten meine. »Patch.«
Ich versuchte vergeblich, nicht rot zu werden, mir nichts von meiner Fassungslosigkeit und Verunsicherung anmerken zu lassen.
»So, so«, sagte Marcie und sah nicht so zufrieden damit aus, mich nackt und hilflos erwischt zu haben, wie ich es erwartet hätte.
Ich wusste, dass ich einfach hinausgehen sollte, aber dieses trügerische Aufflackern des Wiedererkennens brachte mich dazu, meinen Platz zu behaupten. Vielleicht würde es zurückkommen, wenn ich weiter mit Marcie sprach. Vielleicht würde es diesmal lang genug bleiben, damit ich etwas damit anfangen konnte. »Hast du vor, einfach weiter hier zu stehen und ›so, so‹ zu sagen, oder willst du mir vielleicht einen Tipp geben?«
»Patch hat dir am Anfang dieses Sommers etwas gegeben«, sagte sie ohne weitere Vorrede. »Etwas, das mir gehört.«
»Wer ist Patch?«, brachte ich schließlich heraus. Die Frage schien überflüssig, aber ich wollte Marcie nicht loslegen lassen, bevor ich auf dem Laufenden war. Fünf Monate waren zu viel, um sie bei einem Gang zur Toilette aufzuarbeiten.
»Ein Junge, mit dem ich zusammen war. Ein Sommerflirt.«
Noch eine mächtige Regung in mir, die sich unheimlich nach Eifersucht anfühlte, aber ich schob den Eindruck fort. Marcie und ich wären niemals an demselben Jungen interessiert. Merkmale, auf die sie Wert legte, wie oberflächlich, dumm und eigensüchtig, interessierten mich nicht.
»Was hat er mir gegeben?« Ich wusste, mir fehlte vieles, aber es war wirklich weit hergeholt, dass Marcies Freund mir etwas gegeben haben sollte. Marcie und ich hatten völlig unterschiedliche Freunde. Wir gingen nicht in dieselben Vereine. Unsere Freizeitaktivitäten überschnitten sich nicht. Kurz gesagt, wir hatten überhaupt nichts gemeinsam.
»Eine Kette.«
Ich genoss die Tatsache, dass ich einmal nicht im Hintertreffen war, und grinste sie breit an. »Also Marcie, ich könnte schwören, dass es eher ein Zeichen dafür ist, dass dein Freund dich betrügt, wenn er anderen Mädchen Schmuck schenkt.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte so überzeugend, dass ich spürte, wie dasselbe Unbehagen sich wieder in meinen Eingeweiden breitmachte. »Ich kann mich nicht entscheiden, ob es traurig ist, dass du so komplett im Dunkeln tappst, oder eher lustig.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust in der Absicht, Verärgerung und Ungeduld irgendwie subtil vorzuspielen, aber in Wirklichkeit war mir innerlich kalt. Und diese Kälte hatte mit der Außentemperatur nichts zu tun. Ich würde hier nie herauskommen. Mich überkam plötzlich das schreckliche Gefühl, dass meine Begegnung mit Marcie erst der Anfang war, ein leichter Vorgeschmack dessen, was noch vor mir lag. »Ich habe keine Kette.«
»Du glaubst, du hättest sie nicht, weil du dich nicht daran erinnern kannst. Aber du hast sie. Sie liegt wahrscheinlich in deinem Schmuckkasten. Du hast Patch versprochen, sie mir zurückzugeben.« Sie hielt mir einen Zettel hin, damit ich ihn nahm. »Meine Nummer. Ruf mich an, wenn du die Kette findest.«
Ich nahm den Zettel, ließ mich aber nicht so einfach überzeugen. »Warum hat er dir die Kette nicht einfach selbst gegeben?«
»Wir waren beide mit Patch befreundet.« Auf meinen zutiefst skeptischen Blick hin setzte sie hinzu: »Es gibt für
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