Rettet unser Geld
Prozent bleiben musste und der Gesamtschuldenstand 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht überschreiten durfte. Mit der ersten Regel wurde sozialpolitischen Geldverschwendern ein Riegel vorgeschoben, mit der zweiten versuchte man ganz offensichtlich, notorische Schuldenmacher auszuschließen, die sich nur kurzfristig Spardisziplin auferlegt hatten.
All dies durchgesetzt zu haben, und zwar gegen den Widerstand der Franzosen mit ihrem Wunsch nach politischem Gestaltungsspielraum, muss als diplomatische Meisterleistung bezeichnet werden. Es war Theo Waigels Verdienst, dass die neue Währung nach dem Vorbild der D-Mark gestaltet wurde, dass sie nicht ECU , sondern Euro hieß, dass die Europäische Zentralbank nicht, wie die Franzosen wünschten, in Paris, sondern in Frankfurt residieren würde und dass klassischen Weichwährungsländern wie Griechenland der Zutritt zum Euro verwehrt blieb.
Sein wohl wichtigstes Verdienst aber bestand darin, dass als Modell für die künftige EZB die unabhängige Deutsche Bundesbank herangezogen wurde. Das widersprach Wunsch und auch Praxis der Franzosen, die gerne politischen Druck auf ihre Staatsbank ausübten; übrigens ist selbst in den liberalen USA die Staatsbank Federal Reserve nicht unabhängig. Weltweit gilt heute jedoch als unumstritten, dass das deutsche Modell hier allen anderen vorzuziehen ist. Deshalb machte die Bundesbank Schule, steht die EZB heute am Main und nicht an der Seine.
Der Hauptgrund dafür wird selten offen ausgesprochen, weil er unserem Staatsverständnis entgegensteht: Der Erfolg der Bundesbank ist direkte Folge ihrer Unabhängigkeit von demokratischen Prozessen, die dazu neigen, kurzfristige Ziele zu
verfolgen. Genau das muss eine Staatsbank verhindern. Wo eine demokratische Mehrheit gerne mehr Wachstum und finanzielle Spendabilität wünscht, muss die Bank auf dem genauen Gegenteil, der Eindämmung der Inflation, bestehen. Und das hat die Bundesbank auch durchsetzen können. Ich gehe so weit, zu behaupten, dass ein Hauptgrund für die Stärke der D-Mark die nachhaltige Währungsstrategie der Bundesbank gewesen ist. Im Zweifel hat sie sich gegen neue Arbeitsplätze und für Stabilität entschieden. Und das hat funktioniert, es hat sogar langfristig mehr Arbeitsplätze geschaffen.
Ich erinnere mich, wie Theo Waigel einmal per Hubschrauber bei der Bundesbank einflog, um damit die Dringlichkeit seines Wunsches zu demonstrieren, endlich einen Teil der staatlichen Goldreserven »versilbern« zu dürfen. Er konnte das Geld gut brauchen, um einige Haushaltslöcher zu stopfen, und sah nicht ein, wieso die Bundesbanker ihm, als demokratisch legitimiertem Finanzminister, dies verweigern sollten. Aber sie haben es verweigert. Der damalige Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer hat ihn auflaufen lassen. Als Minister Hans Eichel später dieselbe Begehrlichkeit zeigte, kommentierte FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms: »Die Bundesbank darf nicht als Goldesel für ideenlose Haushaltspolitiker missbraucht werden.« Und auch Eichel ging leer aus.
Der einzige Einfluss, den die Demokratie auf die Bundesbank nehmen kann, ist die Besetzung des Vorstands. So hat etwa die CDU/CSU den Banker Andreas Dombret berufen - ich kenne ihn aus seiner Zeit als Chef der deutschen Abteilung der Bank of America -, die SPD wiederum ihren Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin. Da ein Vorstand, sobald eingesetzt, jeglichem politischen Einfluss entzogen war, kann der Druck, den die Kanzlerin gegen die Bank, ihren Chef Axel Weber und Thilo Sarrazin ausgeübt hat, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Aus populistischen Rücksichten hat Angela Merkel hier eine Schranke durchbrochen - wenn man so will, eine »rote Linie« überschritten -, die sich in Jahrzehnten deutscher Bundesbankpolitik bewährt hatte. Aber schließlich besaß sie in Helmut Kohl ein leuchtendes Vorbild, der bei der Übernahme der Ost- in die West-Mark ebenfalls die Bundesbanker brüskiert hat.
Als die Maastrichter Verträge ausgehandelt wurden, hat Theo Waigel durchgesetzt, dass die zukünftige EZB dem Muster dieser unabhängigen Bundesbank folgen und in Frankfurt etabliert werden sollte. Das war ein entscheidender Schritt, um die Stabilität des Euro zu garantieren, vorläufig zumindest. In Bonn war man hochzufrieden. Doch konnte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die D-Mark, unumstrittenes Symbol des deutschen Wohlstands, mit einem Schlag verschwunden war - und dass jene südlichen EU-Länder, die vorläufig
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