Rettet unser Geld
der Maastricht-Vertrag zur unverbindlichen Absichtserklärung degradiert.
Welch ein Niedergang! Noch die Einführung des Euro am 1. Januar 2002 als Zahlungsmittel für jedermann hatte eine logistische Meisterleistung der Bundesbank dargestellt, was nicht weiter verwunderte, da schon die Währungseinheit der beiden deutschen Staaten reibungslos über die Bühne gegangen war.
Zum Ärgernis dagegen entwickelte sich die Preisumstellung, die in vielen Branchen nicht 2:1 erfolgte, wie es dem offiziellen Kurs entsprach, sondern mit 1:1 angegeben wurde. Ich erinnere mich, dass in Berlin eine Bratwurst mit Kartoffelsalat plötzlich den Betrag in Euro kostete - ich glaube, 3,60 -, der vorher in D-Mark zu bezahlen war.
Bald konnte man in der Bild -Zeitung in Balkenschrift lesen: »Ist der Euro ein Teuro?« Obwohl die rhetorische Frage ein weit verbreitetes Gefühl wiedergab, habe ich dem in meinem Kommentar in dieser Zeitung am 9. März 2002 widersprochen. Nein, schrieb ich, »der Euro ist hart!« Zwar gab es im Dienstleistungssektor manche Erhöhungen - zum Spaß erwähnte ich den Punker, der einen früher um eine Mark anhaute und heute »’nen Euro« will -, doch die Hauptausgaben waren gleich geblieben und, wie sich mit dem statistischen Warenkorb belegen ließ, auch die Lebenshaltungskosten. Ich fürchte aber, mein Plädoyer konnte die Leser nicht wirklich überzeugen.
Trotz der verbreiteten Skepsis war der Euro stabiler als die D-Mark, die in der Endphase sogar zur Inflation neigte. Auch konnte man sich in diesem Fall durchaus nicht auf das Gefühl verlassen. Meine Frau Bettina, Psychologieprofessorin an der TU Berlin, wies mich damals darauf hin, dass sich Preiserhöhungen dem Gedächtnis viel stärker einprägen als Preissenkungen oder gar gleichbleibende Preise. Man merkt sich eben, wenn etwas teurer wird; dagegen hakt man stabile Preise als selbstverständlich ab. Gerade damals sanken die Preise für PCs, Fernseher oder Digitalkameras erheblich - doch unvergessen blieb die teurere Currywurst.
Auch wegen dieser Selbsttäuschung hat es der Euro nie in die Herzen der Deutschen geschafft, die nun einmal für die D-Mark schlagen. Nur eine Phase gab es, kurz nach der Einführung, als die Menschen sich von der Begeisterung der Medien
mitreißen ließen und mehrheitlich die neue Währung befürworteten. Doch das ging schnell vorüber, und manche haben sich bis heute nicht an die bunten Scheine gewöhnt, die als nüchtern und einfallslos gelten, und die Münzen, die für manche schwer zu unterscheiden sind und »schmuddelig« wirken wie alte Peseten.
Für die Wirtschaft dagegen waren die Vorteile sogleich unübersehbar, vor allem, weil es die gefürchteten competitive devaluations nicht mehr gab, mit denen wettbewerbsschwächere Länder die Wechselkurse zugunsten der eigenen Industrie manipuliert hatten. Und auch unsere Politiker schienen die Forderungen ernst zu nehmen, die sich aus dem Stabilitätspakt ergaben. Sie hielten sich eine Zeitlang mit dem Schuldenmachen zurück, das ich einmal mit der Trunksucht verglichen habe: Jeder Schluck aus der Pulle führt zu neuem Durst, und der Effekt des Alkohols baut die Hemmungen ab, diesen Durst durch den nächsten Schluck zu löschen.
Die Flitterwochen des Euro endeten abrupt, als Rot-Grün, vertreten durch Finanzminister Hans Eichel, mit der Abstinenz brach. Schon bei Einführung der neuen Währung war in Brüssel klar, dass Deutschland das fröhliche Schuldenmachen wieder aufgenommen hatte und der einstige Hort der Stabilität selbst zum »Defizitsünder« geworden war. Hatte Gerhard Schröder die Wahl 1998 noch mit dem Versprechen weitgehender Reformen gewonnen, war er dann doch auf das bewährte Mittel des Schuldenmachens verfallen, das erstens bequem war und zweitens bei den Menschen gut ankam. Spätestens im Juli 2002 wusste das Bundesfinanzministerium, dass Deutschland das Maastricht-Kriterium erneut reißen und bei rund 3,4 Prozent Neuverschuldung landen würde, im Folgejahr sogar bei 3,8 Prozent.
Für meine Einstellung zum Euro bedeutete das eine Zäsur. Ausgerechnet das Land, dem am meisten an einem starken
Euro gelegen sein musste, weil es für ihn am meisten aufgegeben hatte, war munter zur alten Schuldenpolitik zurückgekehrt, als wäre nichts geschehen. Und das, wie ich betonen muss, ohne triftigen Grund: Weder gab es eine Finanzkrise, noch eine Naturkatastrophe, noch war ein Rettungspaket zu schnüren. Die Schröder-Regierung konnte nichts vorbringen, was ihr
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