Rettet unser Geld
wahrscheinlich) gar nicht funktionieren werde«, was »insbesondere immer wieder von Vertretern der Deutschen Bundesbank vorgebracht« wurde - »jener Institution«, so Sarrazin weiter, »die in ganz Europa durch die Währungsunion den mit Abstand stärksten Machtverlust erfuhr«.
Normalerweise gehört der Machtverlust einer Riesenbehörde nicht gerade zu den Ereignissen, die Trauer auslösen. In diesem Fall war es anders: Diese Riesenbehörde hatte nämlich all jene politischen Riesenbehörden in Schach gehalten, die sich für die Stabilität der D-Mark als gefährlich erwiesen hatten. Sie war der Garant für eine harte Mark gewesen, an der sich die gewählten Weichmacher die Zähne ausgebissen hatten. Fiel dieser Garant weg, hing die Härte der zukünftigen Währung an der Unabhängigkeit einer EZB, die sich erst noch beweisen musste.
Im März 1998 hatte das deutsche Bundesverfassungsgericht über die Rahmenbedingungen der Währungsgemeinschaft entschieden und dieser großen Sorge Rechnung getragen. Nicht zufällig zitierte Thilo Sarrazin den entscheidenden Passus in seinem Euro-Buch: »Der Unions-Vertrag regelt die Währungsunion als eine auf Dauer der Stabilität verpflichtete und insbesondere Geldwertstabilität gewährleistende Gemeinschaft.« Dieser Vertrag, so das Bundesverfassungsgericht weiter, »setzt langfristige Vorgaben, die das Stabilitätsziel zum Maßstab der Währungsunion machen, die durch institutionelle Vorkehrungen die Verwirklichung dieses Zieles sicherzustellen suchen und letztlich - als ultima ratio - beim Scheitern der Gemeinschaft auch einer Lösung aus der Stabilitätsgemeinschaft nicht entgegenstehen«.
Gerade beim letzten Satz dürften sich manche unserer Politiker die Augen reiben. Erscheint ihnen doch eine »Lösung aus der Stabilitätsgemeinschaft« ähnlich undenkbar wie das Ausscheiden aus der UNO oder der NATO. Aber die Verfassungshüter hatten eben erkannt, dass die Gemeinschaft als solche zwar wichtig war, dass jedoch Stabilität und »insbesondere Geldwertstabilität« noch wichtiger waren. Diese würden, wie die Erfahrung lehrte, ohne strikte Kontrollmaßnahmen und automatische Sanktionen nicht möglich sein. Auch für die EU war der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert.
Als dann der entscheidende Schritt vollzogen und die Gemeinschaftswährung eingeführt war - mit schwachem Netz und ohne doppelten Boden -, konnten die Deutschen in der europäischen Presse nachlesen, wer als Verlierer des Deals angesehen wurde. So frohlockte der Londoner Guardian , die Euro-Einführung bedeute »die Zähmung der mächtigen Bundesbank und den Tod der D-Mark«. Und Frankreichs Le Monde pries als größte Errungenschaft, dass Deutschland »freiwillig
seine allmächtige Stellung aufgibt« - man beachte das Wörtchen »freiwillig«. Und dabei hatten nicht nur unsere Politiker, sondern auch wir im BDI geglaubt, dass es die anderen Länder gewesen seien, die freiwillig etwas aufgegeben hatten, nämlich Schuldenmacherei und währungspolitischen Schlendrian.
Dem schien auch so, aber dem war nicht so. Jene europäischen Stimmen, die damals jubelten, dass die »erdrückend dominante Mark zur Strecke gebracht« und der »übermächtigen Bundesbank das Handwerk gelegt« war, wurden in Deutschland überhört.
Schließlich hatte man gegen eine Inflationierung des Euro Dämme errichtet - wie lange sie halten würden, war eine andere Frage.
KAPITEL SECHS
Als die Dämme brachen
Als ich Anfang September 2010 im Flugzeug nach Frankfurt saß, entdeckte ich ein paar Reihen vor mir Jürgen Stark, jetzt Chefvolkswirt der EZB, der mich bei jenem Euro-Meeting in den 90er Jahren mit dem Kalauer »Es gilt das gebrochene Wort« erheitert und zugleich nachdenklich gemacht hatte.
Ironie des Schicksals: Als ich ihm jetzt die Hand schüttelte, bemerkte ich, dass er den anderen Arm in einer Schiene trug. Ich blickte hin, dann auch er, und wir mussten beide lächeln. »Ich hoffe«, sagte ich, »Sie haben ihn sich nicht beim Versuch gebrochen, die EZB vom Ankauf der Staatsanleihen aus Griechenland, Irland und Portugal abzuhalten.«
Wir lachten, obwohl uns gar nicht danach zumute war. Mit welchen Erwartungen hatten wir vor fünfzehn Jahren die Einführung des Euro herbeigewünscht, und mit welcher Beklommenheit sahen wir jetzt den nächsten Tiefschlägen entgegen, die ihn treffen würden! Aus dem Scherz vom »gebrochenen Wort« war Ernst geworden, die Bundesbank als Stabilitätsgarant war ausgeschaltet und
Weitere Kostenlose Bücher