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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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das Recht gegeben hätte, das »eiserne« 3-Prozent-Limit zu übersteigen. Sie tat es einfach. Mit schröderscher Selbstgefälligkeit und eichelschem Grinsen setzte man sich über Maastricht hinweg. Mir ist damals förmlich schlecht geworden.
    Nein, Rot-Grün hatte keinen zureichenden Grund, die Verträge zu brechen. Aber einen Anlass: Am 22. September 2002 fanden Bundestagswahlen statt, und man wollte dem Wähler mit sozialen Wohltaten die Entscheidung erleichtern. Es klappte auch. Mit Speck fängt man Mäuse, heißt es, und niemand fragt danach, wer eigentlich für den Speck bezahlen wird.
    Auch in Frankreich nicht. Dort hatte Schröders Partner, Staatspräsident Chirac, beeindruckend vorgelegt, indem er im Juni die Parlamentswahlen mit einem »Erdrutschsieg« gewonnen hatte. Das ermutigte ihn offenbar, die Maastricht-Limits, die er zuvor unterstützt hatte, zugunsten einer generöseren Haushaltsplanung nach oben zu korrigieren. Im Gleichschritt mit Deutschland war auch der andere Champion des Euro zum Defizitsünder geworden. Die Gärtner entpuppten sich als Böcke.
    Besonders empörte mich dabei, dass Brüssel das Defizitverfahren, das gegen die beiden Großen angestrengt wurde, einfach ausgesetzt hat, was ja nichts anderes bedeutete, als dass die Angeklagten den Prozess, der gegen sie geführt werden sollte, selbst abwürgen konnten. Es mussten sich nur genügend Regierungschefs finden, die Deutschland und Frankreich vom Haken ließen - was Schröder und Chirac schon deshalb mühelos
gelang, weil ihre Helfer entweder selbst schon zu Sündern geworden waren oder vorhatten, dies demnächst zu werden. Die Europäische Union war plötzlich zur Komplizenschaft geworden, die sich gegenseitig den Bruch von Regeln gestattete, die man zuvor unter Mühen aufgestellt hatte.
    Natürlich konnte das einem gelernten Wissenschaftler wie Romano Prodi, der seit 1999 EU-Kommissionspräsident war, nicht gefallen. Während die Großen kraft ihrer Vormachtstellung die Verträge brachen und auch die Kleinen bereits auf eine Revision, sprich Abmilderung des Regelwerks, drängten, hielt der Wirtschaftsprofessor am Pakt fest. »Es gibt keine Regeln à la carte«, zürnte er damals, womit er mir aus dem Herzen sprach; ebenso positiv empfand ich, dass er die Aussetzung des Defizitverfahrens und den Verzicht auf die vorgesehenen Milliardenstrafen kritisierte. Schon 2003 forderte er eine »verbesserte ökonomische Aufsicht« über jene Regierungen, die, wie sich gezeigt hatte, der EU auf der Nase herumtanzten - auch wenn er sich, wie man hinzufügen muss, bei den Stabilitätskriterien »mehr Flexibilität« gewünscht hat. Übrigens hatte auch Aznars Finanzminister Rodrigo Rato die Aussetzung des Sanktionsverfahrens als »schwerwiegenden Fehler« kritisiert. »Diejenigen, die diese Entscheidung getroffen haben«, forderte der Spanier, »müssen die Verantwortung dafür übernehmen.«
    Natürlich taten ihm Deutschland und Frankreich diesen Gefallen nicht. Nur so lange hielten sie sich an den vorgegebenen Stabilitätskurs, wie es für die Aufnahme in den Euro-Kreis nötig war. In dieser Zeit handelten sie verantwortlich und wirkten für die kleineren Staaten, die sich mit dem Sparkurs schwer taten, als Vorbild. Die kurzfristige Disziplin, der sich Deutschland und Frankreich unterwarfen, führte dazu, dass der Franc ebenso hart wurde wie die D-Mark. Mir war zudem aufgefallen, dass die Banque de France , die sich traditionell den politischen
Direktiven des Elysée-Palastes zu unterwerfen hatte, an Selbstbewusstsein gewann.
    In Gestalt ihres damaligen Präsidenten, Jean-Claude Trichet, fuhr sie gegenüber Jacques Chirac einen ähnlich souveränen Kurs wie Hans Tietmeyer gegenüber Helmut Kohl. Ohne diese offen demonstrierte Unabhängigkeit hätte Trichet keine Chance gehabt, zum Nachfolger des ersten EZB-Präsidenten Wim Duisenberg gewählt zu werden -wobei dies nicht einmal der treffende Ausdruck ist: Nachdem 1998 der langjährige niederländische Zentralbankchef - seine Unabhängigkeit demonstrierte er schon durch seine Frisur, den weißen Wuschelkopf - zum ersten EZB-Präsidenten gewählt worden war, kam es zu einer heftigen Intervention Frankreichs, das nicht verwinden konnte, bei der Wahl des EZB-Standortes leer ausgegangen zu sein.
    Da man die Niederlage des eigenen Kandidaten Trichet nicht akzeptieren wollte, der die Wahl gegen Duisenberg verloren hatte, setzte man wenigstens durch, dass der Niederländer sich die achtjährige Amtszeit mit

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