Rettet unser Geld
dem Franzosen hälftig teilen sollte. Wirklich übergab Duisenberg 2003 sein Amt an Trichet und starb schon eineinhalb Jahre später. Auf allen Euro-Scheinen, die bis zu seinem Ausscheiden gedruckt wurden, ist seine Unterschrift noch zu sehen.
Das Defizitverfahren von 2002/2003 und seine unrühmliche Abbügelung stellten für mich den ersten Sprung in der Euro-Schüssel dar. Der zweite erfolgte durch Griechenland. Damit meine ich nicht den später drohenden Staatsbankrott, der Europa in seinen Grundfesten erschütterte, sondern das, was ihm vorausging: die überraschende Aufnahme dieses Landes in die Euro-Gemeinschaft. Noch im März 1998 hatten die EU-Kommission und das Europäische Währungsinstitut (EWI), der Vorläufer der EZB, Griechenland als Euro-Kandidaten abgelehnt.
Und obwohl man das Land niemals in die Währungsunion hätte aufnehmen dürfen, stimmten die EU-Finanzminister im Juni 2000 auf höhere Weisung dafür. Keiner ahnte, dass die Zahlen, die ihnen vorgelegt wurden, nicht der Wahrheit entsprachen - doch ich wette, sie hätten auch zugestimmt, wenn sie die wahren Zahlen gekannt hätten. »Europa über alles«, lautete die Devise, der Rest würde sich schon finden.
Das Schummeln hatte übrigens Methode, vielleicht weil Hellas den »listenreichen Odysseus« als Nationalheiligen verehrt: Als es 2004 zum ersten griechischen Statistikskandal kam, stellte sich heraus, dass schon von 1997 bis 2000 ein viel zu niedriges Staatsdefizit nach Brüssel gemeldet worden war. Die 2 Prozent, die man stolz im Jahr der Aufnahme verkündet hatte, mussten rückwirkend auf 4,1 Prozent hochkorrigiert werden. Der Schuldenberg, der damit sichtbar wurde, erschien selbst dem erfahrenen Jean-Claude Trichet als »großes Problem«. Immerhin wurde das Land anschließend unter Aufsicht gestellt, doch wie sich zeigte, mit wenig Erfolg.
Der Beitritt Griechenlands zum Euro basierte also, wie der damalige Finanzminister Hans Eichel später bekannte, auf einem »offenkundigen Schwindel«. Der Schwindel war aber gar nicht der entscheidende Grund für die Aufnahme gewesen: In Wahrheit wurde sie durch die politische Entscheidung von Jacques Chirac und Gerhard Schröder durchgesetzt, die unbedingt ihre griechischen Freunde im Boot haben wollten. Als Wirtschaftswissenschaftler und Ökonomen öffentlich davor warnten, wurde die Frage der Stabilität dieses Bootes als Nebensache abgetan.
Das fiel umso leichter, als man auf die Marginalität Griechenlands hinweisen konnte, das gerade einmal 3 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaftete. Man übersah, dass zur Auslösung einer Lawine ein winziger Schneeball
genügt. Dieser Schneeball war Griechenland. Oder um es mit einem anderen Bild zu veranschaulichen: Im gleichen Jahr, als die Deutschen ihre ersten Erfahrungen mit dem neuen Geld sammelten, wurde durch die Aufnahme Griechenlands und den deutsch-französischen Bruch der Maastricht-Kriterien die Axt oder besser: die Säge an den Stamm gelegt, die erst langsam, dann immer schneller und ab 2010 mit atemberaubendem Tempo an der Währung - und damit an der Gemeinschaft selbst - zu sägen begann.
Was unser Land betraf, ist mir dieser abschüssige Weg relativ schnell klar geworden. Wenn wir die Maastricht-Kriterien einhalten wollten, ohne die der Euro zur Weichwährung würde, mussten wir die Politik unseres Landes radikal verändern - weg vom Schuldenstaat und hin zu dem, was ich die »Reform der Reformfähigkeit« nannte. Dass Deutschland so unbeweglich und blockiert ist, hängt wesentlich mit der politischen Entscheidungsfindung zusammen, die den Status quo ebenso liebt, wie sie Veränderung fürchtet. Während das Überleben eines Unternehmens von seiner permanent geübten Innovationsfähigkeit abhängt, die sich im Wettbewerb mit der Konkurrenz zu bewähren hat, setzt unsere Politik auf die altbewährten Rezepte, mit denen man sich von Wahl zu Wahl rettet, wobei man vorher verspricht, was man hinterher bricht. Was sich bei uns Politik nennt, erschöpft sich im teuren Anwerben neuer Wähler und noch teureren Reparieren der dadurch entstandenen Schäden.
Um eine Politik der Selbsterneuerung anzustoßen, habe ich zusammen mit dem Unternehmensberater Roland Berger den »Konvent für Deutschland« ins Leben gerufen, der Ideen erarbeiten soll, mit denen sich Grundgesetz und EU der veränderten globalen Situation anpassen lassen. Ab Herbst 2002 gewannen wir eine Reihe prominenter Mitstreiter aus allen politischen Parteien
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