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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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etwa musste, dank der Stärke der D-Mark und der damit verbundenen niedrigen Inflation, relativ wenig zahlen, um an Kredite zu kommen, was natürlich für das Land, aber auch seine spendablen Politiker einen gewaltigen Vorteil brachte - unter anderem gegenüber jenen europäischen Freunden, die über schwächere Volkswirtschaften und eine schlappe Währung verfügten, wie Griechenland.
    In dem Augenblick, als über Europa die Sonne des Euro aufging, die, wie es in der Bibel heißt, »über Gut und Böse gleichermaßen scheint«, bedeutete das für Länder wie Griechenland, dass sie in den Genuss der niedrigen Zinsen kamen, die sonst das Privileg der D-Mark gewesen waren - was nur vernünftig schien, da man den Euro wiederum mit den Stabilitätskriterien ausgestattet hatte, die zuvor für die deutsche Währung galten. Die Inflation des Euro erwies sich, im Vergleich zur »späten« D-Mark, sogar als geringer, so dass die Zinsbelastung für geliehenes Geld noch niedriger ausfiel.

    Versetzt man sich in die Lage der griechischen Politiker, sahen sie sich einer komplett verwandelten Welt gegenüber: Über Nacht waren sie die fußkranke Drachme los, das Kummergeld der Wechselstuben, und hielten stattdessen den markigen Euro in der Hand: Welche Genugtuung und zugleich - welche Versuchung! Es war, wie wenn Sohnemann plötzlich Papis goldene Kreditkarte in Händen hält. Der griechische Sozialpolitiker, gleich ob links oder rechts, fühlte seine Stunde gekommen, endlich über dem darbenden Volk das Füllhorn auszuschütten. Durch die reduzierte Zinsbelastung wurde schlagartig viel Geld im Haushalt frei, über das man nach Belieben disponieren konnte. Und man tat es nach Kräften.
    Wenn unsere Öffentlichkeit sich 2010 darüber empörte, dass die Griechen sich auf unsere Kosten einen faulen Lenz machten und wir, wie es so schön hieß, erst mit 65 in Rente gehen durften, bald mit 67, damit sie es schon mit 60 konnten, dann übersah man, dass wir selbst ihnen diese Möglichkeit auf dem Silbertablett präsentiert hatten. Die Hauptschuld am Griechenland-Debakel lag bei jenen, die dem armen Land die reiche Währung Euro zugeschanzt hatten.
    Allerdings machten sich die Griechen mitschuldig. Von den Statistiktricks einmal abgesehen, hätten sie das nun reichlich vorhandene Geld anders verwenden müssen. Die logische Konsequenz wäre nämlich gewesen, dass man, bevor man sich in die Orgie des Ausgebens stürzt, erst einmal die inzwischen auf Euro lautenden Schulden zurückzahlt, die bereits olympische Höhen erreicht hatten. Und man hätte sich gleichzeitig an die Aufgabe wagen müssen, der sich bereits Italien und Spanien unterzogen hatten: das eigene Wirtschafts- und Sozialsystem zu reformieren, um ihm zu Europa- und Euro-Tauglichkeit zu verhelfen.
    Die notwendigen Reformen, die Athen hätten einführen müssen, wurden jedoch ebenso unterlassen wie die Modernisierung
der Industrie. Man ruhte sich sozusagen auf Lorbeeren aus, die andere erworben hatten. Und sackte noch dazu Jahr für Jahr ab, da die Wirtschaft immer konkurrenzunfähiger wurde: Denn während früher die Drachme gegenüber der D-Mark regelmäßig abgewertet wurde und dadurch die Angebote des Landes, ob landwirtschaftliche Produkte oder touristische Dienstleistungen, preislich attraktiv blieben, entfiel nun diese Möglichkeit der competitive devaluation und damit die Konkurrenzfähigkeit.
    Der Euro, der Athen auf der einen Seite unverhofften Aufschwung gebracht hatte, sorgte auf der anderen für unerwarteten Abschwung. Teure heimische Exportwaren verloren ihren ausländischen Markt, und selbst der einfache Bürger konnte sich weiterhin relativ billige Importwaren leisten. All diese Nebenwirkungen wären verhindert worden, wenn man wie Prodi und Aznar die nötigen Reformen angepackt hätte - Ministerpräsident Papandreou hat im Mai 2010 notgedrungen damit angefangen. Ob sein im eigenen Land umstrittener Versuch langfristig den Umschwung bringen wird, steht auf einem anderen Blatt. Solche Maßnahmen wären schon vor der Einführung des Euro vernünftig gewesen, jeder Volkswirtschaftler hätte das den Griechen vorrechnen können - aber seit wann handeln Politiker vernünftig, wenn sie doch immer schon die nächsten Wahlen im Auge haben?
    Vom Augenblick der Euro-Einführung an entbrannte in Griechenland der übliche Versteigerungswettbewerb, wie wir ihn auch aus unserem Land kennen. Beim Konkurrenzkampf »Wer ist der Sozialste?«, »Wer ist der Arbeiterfreundlichste?«,

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