Rettet unser Geld
zum einen Teil mittels der beschriebenen Kreditausfallversicherungen, zum anderen durch aktive Bearbeitung der Weltpresse. Der Spiegel sprach von einer »konzertierten Attacke«, bei der, laut NZZ-online, der Hedgefonds-Milliardär Steven A. Cohen eine besondere Rolle spielte: »Er drängte seine Kollegen an jenem Abend, auf einen weiteren starken Kursverlust zu setzen: Der Euro, der zu dieser Zeit bereits auf 1,37 Dollar gesunken war, könne sogar die Parität zum Dollar erreichen.« Sein Empfehlungspapier wurde, laut Wall Street Journal,
schon unmittelbar nach dem Verschwörungsdinner an Hunderte Hedgefonds verschickt. Zur Verstärkung des Negativ-Hypes trug man das Angriffssignal in den folgenden Tagen in zahllosen Telefonaten weiter, und selbst John Paulson war sich nicht zu schade, Banken anzurufen, um ihnen, laut NZZ , »seinen Pessimismus zu Griechenland« mitzuteilen.
Die Folge: »An den Terminmärkten nahmen die Spekulationen auf eine Abwertung des Euro zu«, berichtete die FAZ . »Zu jener Zeit können Hedgefonds, die im Herbst 2009 billig CDS auf griechische Anleihen gekauft hatten, ihre Derivate zum Drei- bis Vierfachen ihres Einkaufspreises« losschlagen. An der Börse in Chicago erhöhten sich kurzfristig die Wetten - sogenannte »Nettoverkaufsoptionen« - auf einen Niedergang des Euro von 4,9 Milliarden Euro auf 8,9 Milliarden Euro. Zur gleichen Zeit hielten Anleger Kreditausfallversicherungen für griechische Staatsanleihen in Höhe von 85 Milliarden Dollar, doppelt so viel wie im Vorjahr.
Als würde nicht schon aus allen Medien der Klagechor um den sinkenden Euro ertönen, verkündeten die amerikanischen Großspekulanten John Taylor und Jonathan Clark, die einen der größten Hedgefonds der Welt kontrollieren, ganz offen: »Wir setzen auf den Kursrückgang des Euro.« George Soros ließ in der Financial Times seine Überzeugung abdrucken, dass »die Zukunft des Euro nach wie vor unsicher« sei. Goldman Sachs wiederum, Athens Beraterbank und Personallieferant mehrerer US-Regierungen, warnte im April in einem Marktkommentar vor der Möglichkeit eines Staatsbankrotts und einer unvermeidlichen Umschuldung. In ihrem Buch Staatsbankrott voraus wiesen die Autoren Janne Jörg Kipp und Rolf Morrien zu Recht darauf hin, dass sich angesichts der »engen personellen Verbindung von Goldman Sachs und der US-Regierung« die Frage stelle, ob diese »die wahre Lage der griechischen
Staatsfinanzen besser kannte als die EU-Partnerstaaten«. Wenn ja, dann wohl auch von Anfang an. Auf die Europatreue der griechischen Politiker wirft das kein besonders positives Licht.
Zu allem Überfluss meldeten britische Zeitungen, die deutsche Regierung arbeite bereits an einem Rettungskonzept, was sich aber schnell als Ente entpuppte - eine Ente mit Hintergedanken. Denn, so meinte der Spiegel , dieses »gezielte Störmanöver« sei von genau jenen Finanzinstituten aus London und New York initiiert worden, »die schon immer gegen die europäische Gemeinschaftswährung waren«. Fazit: »Nun hielten die Euro-Gegner den Augenblick für gekommen, die geschwächte Währung in die Luft zu jagen.«
Dem Leser möchte ich die weiteren Schläge der Wall Street gegen das griechische Luftschloss und die Gemeinschaftswährung ersparen. Kurz zusammengefasst, waren der Mittelmeerstaat und seine Anleihen bis Anfang Mai auf Ramschniveau herabgebracht, womit ich nicht sagen will, dass Athen eigentlich Besseres verdient hätte. Aber es traten eben alle Symptome ein, die typisch sind für eine umgekehrte Blase: Nicht nur ein oder mehrere Indikatoren zeigen plötzlich nach unten, sondern alle. Aus einem Stolpern wird ein Fallen, aus dem Fall auf die Nase ein Sturz in den Abgrund. Das erleben Staaten, die ins Visier von Spekulanten geraten, nicht anders als Menschen, die sich öffentlicher Verfolgung ausgesetzt sehen.
In der englischen Sprache gibt es den Ausdruck self-fulfilling prophecy , der wörtlich übersetzt »selbsterfüllende Prophezeiung« bedeutet. Er besagt, dass etwas, das man für die Zukunft voraussagt, eben durch diese Voraussage herbeigeführt wird, so wie man bei einem Balanceakt ins Straucheln kommt, wenn man plötzlich davor gewarnt wird. Genau das beabsichtigen die Finanzspekulanten, die scharenweise losziehen, um den
Menschen das sichere Ausgleiten einer Firma, einer Währung oder eines ganzen Landes vorauszusagen. Deshalb wurde auch der ehemalige Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer in Prozesse mit dem Medienunternehmer Leo Kirch
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