Rettet unser Geld
angemessen schien.
Als er am 31. Mai überraschend vor die Presse trat, um seinen Rücktritt »aus Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten« bekanntzugeben, war ich wie vom Donner gerührt. Wegen einer solchen durchsichtigen Kampagne trat er zurück? Darüber jedoch verlor Horst Köhler kein Wort. Andererseits wusste ich, da er mir aus gemeinsamer Zeit im Verwaltungsrat der Treuhand ganz gut bekannt war, dass er auch beinahe mimosenhaft empfindlich sein konnte. Sollten ihn die Angriffe doch tiefer verletzt haben, als ich bei meinem Besuch bemerkt hatte? Aber das war natürlich reine Spekulation, und schließlich hatte er die lachhafte Unterstellung, er sei sozusagen Befürworter von Handelskriegen, von einem Sprecher längst zurückweisen lassen.
Schon in einer ARD-Talkrunde mit Sandra Maischberger deutete ich die Möglichkeit an, dass der Rücktritt mit Horst Köhlers Unterschrift unter das Rettungspaket zusammenhing. »Vielleicht musste der Bundespräsident das unterschreiben«, sagte ich, »das wäre der einzig akzeptable Grund für einen Rücktritt«.
SpiegelOnline stützte meine Hypothese, indem es auf einige »Merkwürdigkeiten rund um Köhlers Rückkehr aus Afghanistan« hinwies, »die stutzig machen«: »Am 21. Mai, als Köhler noch in der Luft war, meldete die Nachrichtenagentur apn, Köhler habe das Gesetz bereits ausgefertigt und den Verkündungsauftrag für das Bundesgesetzblatt erteilt«, was tags darauf korrigiert wurde: »Köhler prüfe das Gesetz ‚doch noch’«, hieß es nun, und ein Sprecher des Bundespräsidialamtes betonte, die Bestätigung sei »versehentlich« verschickt worden.
Horst Köhler selbst hat den wahren Grund für seinen überraschenden und historisch einmaligen Rücktritt offengelassen,
bis heute. Rückblickend halte ich es für nahezu ausgeschlossen, dass ihn die genannte Bundeswehrdebatte dazu veranlasst hat. Derlei ideologische Hypes kannte er zur Genüge, und es wird ihn kaum überrascht haben, dass ein Mann wie Trittin auch vor seinem Amt »mangelnden Respekt« zeigte.
Man wird die Wahrheit wohl nie herausfinden. Aber wenn ich mein Geld darauf verwetten müsste, was ihn zu seinem beispiellosen Schritt bewogen hat, würde ich auf jene Unterschrift setzen, zu der Angela Merkel ihn gezwungen hat. Denn der Rettungsschirm über rund 150 Milliarden Steuergeld, der an einem einzigen Tag von drei Verfassungsorganen - Bundestag, Bundesrat und Bundespräsident - durchgewinkt werden musste, hätte unter normalen Umständen die Zustimmung Horst Köhlers kaum gefunden, und schon gar nicht in diesem Hauruck-Verfahren.
Im Gegenteil, in seiner Amtszeit hat er sich betont viel Zeit genommen, um Gesetze akribisch zu prüfen, bevor er seine Unterschrift leistete. Manche Gesetze wie das über die Lufthoheit hat er sogar, obwohl schon vom Parlament beschlossen, ans Kanzleramt zurückgeschickt, andere, die nicht einmal von besonderem Gewicht waren, durch seine Juristen auf Herz und Nieren prüfen lassen. Bald hieß es, er sei pedantisch, und manche gaben sich genervt, weil er sich nie unter Zeitdruck setzen ließ. Dabei kann man, so meine ich, in Betreff der Verfassungsmäßigkeit neuer Gesetze gar nicht pedantisch genug sein.
Ich wage noch eine Wette: Es dürfte in Horst Köhlers fünfjähriger Amtszeit kein einziges Gesetz gegeben haben, das, nachdem es ihm druckfrisch aus dem Kanzleramt auf den Tisch gekommen ist, sofort unterzeichnet werden musste. Das gehörte sich einfach nicht.
Und hier kommt eine dritte Wette: Ich bin fest überzeugt, dass es weder unter den Ministern, die das Paket ausgehandelt,
noch unter den Staatssekretären, die das Gesetz vorbereitet, noch unter den Juristen, die es geprüft haben, auch nur einen einzigen gab, der von der Materie so viel verstanden hätte wie Horst Köhler: Als Finanzstaatssekretär war er die rechte Hand von Theo Waigel gewesen und hatte, zusammen mit Hans Tietmeyer, die Maastricht-Verträge ausgehandelt und sie, mittels Konvergenzkriterien, aus deutscher Sicht wasserfest gemacht.
Durch die Unterschrift, zu der man ihn auch aus Staatsraison gezwungen haben könnte, wurde sein Vermächtnis, der stabile Euro, mit einem Federstrich ausgelöscht. Wie hatte Horst Köhler im April 1992 gesagt, nachdem er am glücklichen Festzurren der Stabilitätsverträge mitgewirkt hatte? »Es gibt eine No-Bail-out-Rule. Das heißt, wenn sich ein Land durch eigenes Verhalten hohe Defizite zulegt, dann ist weder die Gemeinschaft noch ein Mitgliedstaat
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