Rettet unser Geld
der deutsch-niederländischen Steuerzahler durch.
Axel Weber als Vertreter der Bundesbank scheint so verzweifelt gewesen zu sein, dass er seinen Dissens mit Trichet und der Mehrheit sogar in die Öffentlichkeit trug. Dabei war es auch diesmal, jedenfalls nach Meinung Hans-Werner Sinns, legal zugegangen, wenn auch kaum legitim, da man ein »Schlupfloch in den Maastricht-Verträgen« ausgenutzt hatte. Dagegen kam Professor Martin Seidel vom Zentrum für Europäische Integrationsfoschung in Bonn zum Ergebnis, dass es sich dabei um eine »Überschreitung der vertragsrechtlichen Kompetenz« der EZB gehandelt habe, mit der »Unionsrecht verletzt« worden sei.
Sicher ist, dass es der Zentralbank auf diese zwielichtige Weise gelungen ist, die Hilfen für Griechenland nochmals aufzustocken und dessen immer neue Budgetlöcher mit europäischen Geldern zu stopfen. Bis Ende September hatte die EZB insgesamt über 60 Milliarden für Staatsanleihen finanzschwacher Euro-Staaten ausgegeben, womit das Risiko auf alle Teilnehmer, vor allem aber auf den zahlungskräftigsten von ihnen
verteilt war - der sich wohl auch gewehrt hatte, doch in der Gewissheit, dass es, wie die Mehrheitsverhältnisse zwischen Geber- und Nehmerländern lagen, ohnehin zwecklos war. Die einst so mächtige Bundesbank erlebte hier ein weiteres Waterloo, vollstreckt von den Freunden, aber ermöglicht durch die eigene Regierung.
Durch diesen Ankauf wurde das Scheunentor für den nächsten Staatsbankrott noch weiter geöffnet, als es seit dem Rettungsschirm ohnehin schon war, und der Weg zur endgültigen Destabilisierung beschritten: Bedeutete die finanzielle Insolvenz eines Staates früher, dass dessen Bürger sich nun an härtere Zeiten gewöhnen mussten, so lief es jetzt auf einen Anruf in Brüssel hinaus, der aus zwei Informationen bestand: zum einen, dass die hochriskanten Staatsanleihen, die sich die EZB ans Bein gebunden hatte, endgültig wertlos geworden waren, und zum anderen, dass nun der Rettungsschirm seine segensreiche Wirkung entfalten musste. Schleusen auf und Geld her! Das hieß, dass der Wohlstand - ich erinnere an die »17000 Swimmingpools« - im eigenen Land verteilt worden war, während die Schulden von den ausländischen, vor allem den deutschen Bürgern getragen werden mussten.
Jean-Claude Trichet wusste sehr gut, dass er sich hier auf den sprichwörtlichen »Ritt über den Bodensee« begeben hatte, weshalb er auch betonte, er würde die Staatsanleihen schnellstmöglich wieder verkaufen. Tatsächlich hat er schon damit begonnen, doch blieb das Volumen so klein, dass es fast wie ein Alibi erscheint. Auch für den fragwürdigen Schritt, seine gute Bank mit schlechten Anleihen zu belasten, fand er ein Alibi: Es seien schließlich Frankreich und Deutschland gewesen, die mit der Aushöhlung der Maastricht-Kriterien begonnen hätten. »Ich wünschte«, so sagte er im Juni 2010 zu Welt-online , »die deutsche Öffentlichkeit hätte mit der gleichen Empörung auf
den Bruch des europäischen Stabilitätspaktes 2004 reagiert wie auf unsere Entscheidung, Staatsanleihen zu kaufen.« Womit er so falsch gar nicht liegt, nur hilft in diesem Fall die rhetorische Aufrechnungskunst auch nicht weiter.
Nicht weniger selbstbewusst als sein Chef äußerte sich das Direktoriumsmitglied der EZB, Lorenzo Bini Smaghi, der die dubiosen Ankäufe zu unerlässlichen »Stabilisierungsmaßnahmen für das bedrohte Finanzsystem« erklärte. Dass Bini Smaghi, wie ich mich gut erinnere, bei früherer Gelegenheit das gleiche Vorgehen als eine Politik gegeißelt hatte, die nicht mit Aufgabe und Moral einer Zentralbank zu vereinbaren sei, verschwieg der Italiener, und ebenso, dass er einst betont hatte, eine Zentralbank habe die Inflation zu verhindern, nicht anzuheizen.
Eben dies geschieht, seit die EZB sich vom Hort der Geldwertsicherheit zur Bad Bank entwickelt hat. Der Begriff, der zum ersten Mal während der Finanz- und Bankenkrise auftauchte, bedeutet, dass eine Bank, die sich zu viele Schrottpapiere aufgeladen und deshalb selbst nur noch Schrottwert hat, die »schlechten« Papiere einfach in eine neugegründete Bank auslagert, die damit zur »schlechten Bank« wird. Funktionieren kann dieses System allerdings nur, wenn der Staat, um die Abwicklung der Schrottpapiere zu ermöglichen, die Haftung etwa durch einen »Einlagensicherungsfonds« übernimmt. Der Staat bürgt also in der festen Absicht, der nun entlasteten Bank zum Neubeginn zu verhelfen, und in der vagen
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