Rettet unser Geld
verpflichtet, diesem Land zu helfen.« Und deshalb galt: »Es wird nicht so sein, dass der Süden bei den sogenannten reichen Ländern abkassiert. Dann nämlich würde Europa auseinanderfallen.«
Eben diese Möglichkeit war, durch seine Unterschrift besiegelt, nun eingetreten. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, hätte ich auch den Hut genommen.
KAPITEL NEUN
Warum wir zwei Euros brauchen
Auf die Frage, worauf Frankreich eigentlich seinen Anspruch gründet, auf Deutschland immer wieder politischen Druck ausüben zu dürfen, gibt es mehrere Antworten. Sicher spielt hier eine Rolle, dass die »Grande Nation« von den beiden Partnern volkswirtschaftlich der kleinere ist. Im Vergleich stehen Frankreichs 65 Millionen Einwohnern 82 Millionen Deutsche gegenüber. Deutschlands Bruttoinlandsprodukt beträgt - laut IWF-Angaben für 2009 - 2,8 Billionen US-Dollar, das der Franzosen 2,1 Billionen US-Dollar.
Trotz dieser deutlichen demographischen wie wirtschaftlichen Überlegenheit, die die Deutschen nie ausgespielt haben - zu Recht, wie ich finde -, hat Paris seit der EU-Gründung einen teils offenen, teils verdeckten Anspruch erhoben, Einfluss auf die Deutschen zu nehmen. Ich habe bereits die Forderung Präsident Mitterrands erwähnt, der Einheit nur zuzustimmen, wenn Deutschland dafür die D-Mark opferte. Die geheimen Dokumente aus dem Auswärtigen Amt, die der Spiegel veröffentlicht hat, bestätigen nicht nur diese befremdliche Tatsache, sondern berichten sogar von einer Zusatzdrohung. »Unverblümt warnte Mitterrand damals die Bonner Regierung, sie könnte in Europa bald so isoliert dastehen wie 1913«, also vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Wohl gemerkt, der Auslöser dieses kaum verhüllten Einschüchterungsversuchs waren der bevorstehende Mauerfall und die Erwartung, dass der unterdrückte
Teil Deutschlands endlich freie Selbstbestimmung erhalten sollte - sowie Frankreichs Herzensanliegen, endlich die D-Mark loszuwerden. Der Spiegel nannte diese von Erfolg gekrönte Drohung »einen der größten Triumphe in Mitterrands Amtszeit«.
Wenn ich von derlei Einflussnahmen berichte, bin ich mir allerdings bewusst, dass die meisten Franzosen sich in diesem Bild gar nicht wiedererkennen würden. »Wir sollen Druck auf die Deutschen ausgeübt haben?«, würden sie teils belustigt, teils entrüstet fragen. Und es stimmt ja auch, dass dies nicht einer permanenten politischen Strategie entspricht, sondern eher dem Wunsch folgt, eine Gleichheit unter Partnern herzustellen, die es in Wirklichkeit nicht gibt, und ebenso der verständlichen Hoffnung, aus dem stärkeren Partner möglichst viel herauszuholen.
Noch mehr erstaunen würde sie mein Vorschlag, die französische Wirtschaft nicht den nördlichen Euro-Ländern, sondern den südlichen zuzuordnen. Wie bereits im Vorwort angesprochen, sehe ich als einzigen Weg einer Rettung des Euro dessen Aufteilung in zwei Zonen, deren eine von Deutschland und deren andere von Frankreich angeführt wird. Natürlich bleibt die Tatsache bestehen, dass Frankreich in den Jahren vor der Euro-Einführung gleichsam »deutsche« Haushaltsdisziplin an den Tag legte und eine niedrige Inflationsrate erreichte, die teilweise unter der unseren lag, womit das Land die typischen ökonomischen Schwächen, zu denen zentralistische Staaten neigen, weitgehend abgelegt hatte.
Doch das hatten Italien und Spanien auch, die vor der Jahrtausendwende eine enorme Reformbereitschaft zeigten. Dabei schienen sie von einem gesamteuropäischen Stabilitätsbewusstsein durchdrungen, das nicht zufällig den von Deutschland durchgesetzten Konvergenzkriterien entsprach. In Ländern,
die traditionell vom sozialen Füllhorn geprägt waren, herrschte plötzlich der Rotstift. Als dann der Euro kam, hatte sich, neben Spanien und Italien, auch das früherere Weichwährungsland Frankreich in eine konkurrenzfähige Volkswirtschaft verwandelt, die im Gleichschritt mit ihrem deutschen Nachbarn ging. Endlich schien der Franc so fest wie die D-Mark. Ich erinnere mich noch, wie aus dem alten Franc durch Streichen der letzten beiden Nullen der neue, genannt Nouveau Franc, entstand, aus dem sich wiederum der harte Franc der Maastricht-Zeit entwickelte.
Nicht annähernd so fest war der Wille, diese Härte auch hinterher noch beizubehalten. Schon bald, nachdem Euroland entstanden war, schlug der Wind an der Seine um. Die französische Politik starrte nicht länger auf die Brüsseler Vorgaben, sondern auf die innenpolitischen
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