Rettet unser Geld
stören scheint.
Der Clou dieser »Fazilität«, deren Name sich von dem französischen Wort für »Erleichterung«, facilité , ableitet, besteht darin, dass sich der 750-Milliarden-Stabilitätsfonds, der europäische Finanzsicherheit gewährleisten soll, seine Gelder selbstständig, also unabhängig von den europäischen Staatshaushalten, besorgen darf. Für Frau Merkel und Herrn Schäuble bringt das den unbestreitbaren Vorteil, dass sie die Stabilitätspaktgarantien nicht mehr in ihren Haushalt stellen müssen.
Bei dieser Fazilität, für die in Luxemburg bereits eine Zweckgesellschaft SPV gegründet wurde, handelt es sich offiziell um eine Auslagerung zur Refinanzierung, was aber auf eine Augenwischerei hinausläuft: Denn eigentlich gehören Summen, für die der Staat geradezustehen hat, in seinen Haushalt und nicht in das, was während der Bankenkrise als conduit fragwürdigen Ruhm erlangte. Zu Recht nannte der in Frankreich lehrende Wirtschaftswissenschaftler Jörg Guido Hülsmann die Entscheidung für dieses verdeckte Geldbeschaffungsinstitut ein »finanzpolitisches Ermächtigungsgesetz«.
Auch dies gehörte zu den Punkten, die der damalige Bundespräsident Horst Köhler am Abend des 21. Mai unterzeichnen musste - Knall auf Fall, wie bekannt ist -, nachdem das Gesetz Bundestag und Bundesrat im Sturmlauf passiert hat. Es war eine seiner letzten Amtshandlungen. Noch am Mittwoch davor war ich bei ihm zum Mittagessen eingeladen, zusammen mit anderen Vertretern des »Konvent für Deutschland« wie Ex-Bundespräsident
Roman Herzog, Henning Voscherau, Rupert Scholz und Multiaufsichtsrat Manfred Schneider, um mit dem Präsidenten über die deutsche Finanzverfassung und den fatalen Länderfinanzausgleich zu sprechen.
Auf dem Weg von meiner Wohnung zum Schloss Bellevue hörte ich zufällig die Stimme von Jürgen Trittin aus dem Radiolautsprecher dringen, die ich sofort an ihrem Bremer Akzent erkannte. Wer meine Bücher kennt, weiß, dass ich ihn für einen der größten Zyniker in der heutigen Politik halte, einen grünen Machiavellisten, der vergessen machen konnte, dass er einmal Kommunist war, und der heute keinen Schnauzer mehr, dafür aber Maßanzüge mit Krawatte trägt. Diese Mimikry nehme ich ihm nicht ab. Was ich da zu hören bekam, passte jedenfalls zu meinem Bild von ihm. Mit dem Eifer eines Großinquisitors warf Trittin dem Bundespräsidenten vor, er habe einer Art »Kanonenbootpolitik« das Wort geredet. Das konnte nicht stimmen, und ich fühlte Übelkeit in mir aufsteigen, wie sooft, wenn ich diesem Fachmann für Das-Wort-im-Munde-Herumdrehen zuhören musste.
Was war geschehen? Erst nach meinem Besuch beim Bundespräsidenten erfuhr ich, dass Horst Köhler auf dem Rückflug von einem Afghanistanbesuch auf die Rolle der Bundeswehr zum Schutz der Handelswege hingewiesen hatte, was mir auch deshalb unverfänglich erschien, da dieser Schutz etwa beim Antipiraterie-Einsatz der Bundesmarine am Horn von Afrika offiziell gewährt wird.
Leider wurde ihm sein an sich vernünftiger Satz im Munde herumgedreht, und die Oppositionsparteien, die mit der Demagogie ihrer Volksredner auf Stimmenfang gehen, begannen sogleich, auf Horst Köhler einzuschlagen, und zwar wiederum mit der berühmten Moralkeule, da es nun einmal unmoralisch sei, »Wirtschaftsinteressen mit Waffengewalt durchzusetzen«.
Wer Horst Köhler kennt, weiß, dass er das nie und nimmer gemeint hatte. Aber das verdrehte Wort war nun einmal in Umlauf gekommen, und Jürgen Trittin gab den Chefankläger - im Namen der Humanität selbstverständlich.
Gut gelaunter Bundespräsident: Die »Kanonenboot«-Attacke Jürgen Trittins scheint spurlos an Horst Köhler vorübergegangen zu sein, der sich mit Ex-Bundespräsident Roman Herzog und Hans-Olaf Henkel unterhält.
Während ich, noch unter dem frischen Eindruck der trittinschen Hasspredigt, Horst Köhler die Hand schüttelte, konnte ich nichts an ihm bemerken, das irgendwie anders gewesen wäre als sonst. Natürlich war er über alles informiert, was sich gerade in den Medien austobte, aber er wirkte freundlich und entspannt wie immer, auch während des Essens und des Gesprächs, das sich um unser Hauptthema, die »Reform der Reformfähigkeit« Deutschlands, drehte. Auch ein Foto, das damals aufgenommen wurde, als er Roman Herzog und mir etwas erklärte, zeigt ihn gut gelaunt. Nein, die Angriffe gegen
seine Person schienen an ihm abzuperlen wie Wasser, was mir bei seinem Amt, dem höchsten im Staat, auch
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