Rettet unser Geld
Vorhaben. Auch wenn es noch so vernünftig scheint, alles in einer Hand zu halten - es wäre der sichere Weg, auf dem Europa zum Verlierer des globalen Wettbewerbs würde.
Ich habe lange genug in Frankreich gelebt, um die ambivalenten Gefühle zu kennen, die man dort gegenüber dem größeren Nachbarn hegt. Und ich kenne auch die Rezepte, mit denen man den schmerzlichen Größenunterschied zum Verschwinden bringen und in einem gesamteuropäischen Konzept aufgehen lassen will. Zu diesen probaten Mitteln gehört neben der Einführung des Euro auch die alte Idee einer zentralen Wirtschaftsregierung, die stark genug ist, das Reform- und Innovationstempo der deutschen Industrie dem langsameren französischen und südeuropäischen Niveau anzupassen.
Mit anderen Worten: Statt dass sich der Schwächere wie im Sport durch Disziplin und Einfallsreichtum der Leistung des Stärkeren annähert, ja diesen im Idealfall sogar als Vorbild betrachtet, flüstert hier der Langsamere dem Schnelleren zu, er möge sich, möglichst unauffällig, seinem Tempo anpassen, um die hässliche Ungleichheit aus der Welt zu schaffen. Dass auf diese Weise beide im Marathonlauf gegen die Chinesen, Amerikaner und Inder unterliegen werden, liegt auf der Hand. Und genauso wird es mit einer deutsch-französischen Allianz gehen, bei der der Langsamere führt: Der Wettbewerb mit den großen Industrienationen geht verloren, und für Europa bleibt nur noch ein Platz auf den Zuschauerrängen. Dabei gilt auch in
der Politik, dass der Wettbewerb zwischen kleineren Einheiten immer zu einem stärkeren Ganzen führt.
Nicht zufällig wurde die gehypte Griechenlandkrise von Paris benutzt, um die europäische Wirtschaftsregierung in den Köpfen der Menschen weiter zu verankern: Man wiederholt etwas so lange, bis jeder es glaubt, bis jeder es fordert. Dahinter steckt aber nicht nur, wie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle meinte, der Wunsch nach »Zentralisierung von Entscheidungen« samt »Detailsteuerung«, die auf eine » One-size-fitsall -Politik« hinausläuft. Auf dem Spiel stehen die Erfolgsprinzipien von nationaler Souveränität, Eigenverantwortung und Subsidiarität.
Von Anfang an gehörte die Subsidiarität, bei der die Verantwortung »an der Basis«, also in den Kommunen und Ländern liegt, zu den Grundprinzipien der EU. Deren Staats- und Regierungschefs, aber auch die Kommission und das Parlament wurden nicht müde, diese unantastbar geglaubte Grundlage der europäischen Einigung zu betonen. Seltsamerweise hat sich dies mit der Griechenlandkrise geändert. Das Wort taucht einfach nicht mehr auf; stattdessen hört man nur noch Schlagworte wie europäische Solidarität, zentrale Koordination und gemeinsame Wirtschaftsregierung.
Ein solches Konstrukt, auf das nur der Begriff Planwirtschaft passt, würde verheerenden Einfluss auf die deutschen Wirtschafts- und Finanzstrukturen nehmen. Nehmen wir die EZB, deren Unabhängigkeit aufgrund der massiven, gegen ihr bisheriges Selbstverständnis verstoßenden Aufkäufe von Schrottpapieren aus den südlichen Ländern bereits schwer gelitten hat: Eine Wirtschaftszentrale würde sich natürlich massiv in die Entscheidungen der Bank einmischen, und Axel Weber, endlich ans Ziel seiner Träume gelangt, wäre nicht mehr als ein Befehlsempfänger. Die Europäische Kommission müsste nur
noch darüber wachen, dass in der dann etablierten Transferunion die Ausgleichszahlungen entsprechend zur Verteilung kommen.
Wovon viele Europäer heute schon träumen, wäre dann Wirklichkeit: Wirtschaftliche Schwäche würde belohnt, Stärke dagegen bestraft. Unsere Konkurrenten im globalen Wirtschaftskampf - denn ein Kampf ist es, auch wenn man sich in Brüssel darüber Illusionen hingibt - würden sich die Hände reiben. Vermutlich sind sie schon dabei: Denn Europas einst hoch geachtete Wirtschaftsgemeinschaft wird nicht mehr ernst genommen, was auch nicht verwunderlich ist, da sie die eigenen Regeln nicht mehr ernst nimmt.
Momentan melden sich viele Wirtschaftsfachleute zu Wort, die betonen, dass man zwar keine zentrale Wirtschaftsregierung, sehr wohl aber neue Regeln brauche. Wohlgemerkt, hier ist nicht von neuen Regeln für die Finanzbranche die Rede, die dringend gebraucht werden, um eine neue Bankenkrise zu verhindern, sondern von solchen, die für Finanzpolitiker gelten. Dem stimme ich zu, wenn auch mit Skepsis. Tatsächlich liegt seit Herbst 2010 eine ganze Reihe neuer Verhaltensregularien auf dem Tisch, die alle in dem Punkt
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