Rettung der Highlanderin (Herkunft der MacLeod) (German Edition)
nicht, dass es ihn kümmerte, wie müde das leidige Mädchen war. Und wenn er nicht hinschaute, dann wusste er es auch nicht. Zugutehalten musste er ihr, dass sie ihn kein einziges Mal um Hilfe gebeten hatte, obschon er sicher war, dass sie mehrmals hingefallen war, so oft wie sie ein überraschtes »Uff!« ausgestoßen hatte. Es kostete ihn seine ganze Selbstbeherrschung, ihr nicht zu helfen, sie nicht aufs Pferd zu setzen und für ihre Bequemlichkeit zu sorgen. Es war eine Prüfung, rief er sich zum hundertsten Mal in Erinnerung. Er musste sich davon überzeugen, dass sie ihre Zunge im Zaum halten konnte, dass sie ihre Rolle wirklich spielen konnte, selbst unter schwierigen Bedingungen, denn ihre Sicherheit – und seine Zukunft – hingen davon ab, dass sie geheim hielten, wer sie wirklich waren.
»Uff!«
Er zuckte zusammen. Ihr Hintern musste inzwischen schon ganz wund sein, aber auch er hatte eine Rolle zu spielen, und zwar nicht die des charmanten Tayg.
»Barde.«
Tayg ging weiter und zog das Pferd durch eine hohe Wehe aus schwerem, nassem Schnee.
»Barde!«
Er blieb stehen und drehte sich langsam um. Sie saß breitbeinig im Schnee, das vom Wind gerötete Gesicht zu einer finsteren Miene verzogen. Er hob eine Augenbraue, sprach aber kein Wort.
»Ich habe Hunger«, sagte sie. »Und ich habe … gewisse Bedürfnisse«, fügte sie mit abgewandtem Blick hinzu.
»Tut Euch keinen Zwang an.«
»Wartet Ihr auf mich?«
Sein Magen knurrte, und ihm wurde bewusst, dass es lang her war, seit sie gefrühstückt hatten. Er nickte und ließ die Zügel des Pferdes zu Boden fallen.
Catriona rappelte sich auf, verließ den Weg und verschwand hinter einem großen Felsbrocken. Wenig später kam sie zurück. Tayg reichte ihr ein Haferplätzchen und etwas getrocknetes Rindfleisch. Dann nahm er seinen Becher, schöpfte ihn voll Schnee und gab ihn ihr.
»Was soll ich damit?«, fragte sie.
»Haltet den Becher während ihr esst im Schoß, damit Euer Körper ihn wärmt. Wenn Ihr mit dem Essen fertig seid, habt Ihr Wasser zum Trinken.«
Sie lächelte sogar, als sie den Becher unter ihren Umhang schob. Dann schauderte sie. »Ist ein bisschen kalt.«
Tayg lachte leise. Er aß langsam, um dem Mädchen Gelegenheit zu geben, sich auszuruhen. Er war nicht zimperlich mit ihr umgesprungen, hatte im Tiefschnee gnadenlos ein so zügiges Tempo vorgegeben, dass er selbst müde war. Er betrachtete sie, während sie in die Wolken hinaufschaute. Die Schatten unter ihren Augen kündeten von Erschöpfung, aber sie hatte sich nicht beklagt. Das überraschte ihn. Er hatte damit gerechnet, dass sie verlangen würde, er möge sie auf dem Pferd reiten lassen oder immer wieder anhalten, damit sie sich ausruhen konnte; zumindest hatte er erwartet, dass sie Gründe finden würde, sich über seine Gesellschaft zu beschweren oder über das Wetter, den Weg oder alle möglichen anderen Dinge.
Doch das hatte sie nicht getan.
Plötzlich sah sie zu ihm her und ertappte ihn dabei, wie er sie anstarrte. »Wisst Ihr schon, wo wir heute übernachten werden?«
»Nay.«
»Gibt es in der Nähe ein Dorf?«
»Nay.«
»Könnt Ihr noch etwas anderes sagen als
nay
?«
Tayg rang das Lächeln nieder, das sich auf seine Lippen schleichen wollte. »Nay.«
»Was seid Ihr bloß für ein furchtbares Mannsbild«, sagte sie, doch besaßen ihre Worte längst nicht mehr dieselbe Schärfe wie zuvor.
»Nay.« Diesmal lächelte er, und sie erwiderte es mit einem silberhellen Kichern.
»Ihr versteht Euch nicht annähernd so gut darauf, mir auf die Nerven zu gehen, wie meine Brüder.«
»Ist das eine Beschwerde oder ein Kompliment?«
Sie überlegte kurz, dann zuckte sie mit den Schultern. »Ein Kompliment, nehme ich an.« Sie holte den Becher unter ihrem Umhang hervor und lächelte, als sie hineinblickte. »Ich wünsche niemandem, meinen Brüdern nachzueifern, am allerwenigsten Broc, dem ältesten.« Sie trank das Wasser aus, und er bewunderte ihren blassen, schlanken Hals. Dann reichte sie ihm den leeren Becher.
»Mit Broc kommt Ihr nicht aus?«
Sie stieß ein höchst undamenhaftes Schnauben aus. »Ganz und gar nicht.«
»Ich frage mich, warum?« Er warf ihr einen Seitenblick zu.
Sie stand auf, die Hände in die Hüften gestemmt. »Weil er ein großmäuliger, nervtötender Ochse ist. Er hat nicht genug Verstand, um sich um seine Angelegenheiten zu kümmern, geschweige denn um die des Clans. Weil er glaubt, eine Frau könne nichts Kluges zu sagen haben. Weil er
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